Die Schweiz will per Gesetz Pflanzen verbieten. Jedenfalls haben der Bundesrat und seine Beamten ein entsprechendes Gesetz vorbereitet. Natürlich nicht alle Pflanzen. Aber halt die, die nicht passen. Gebietsfremde Organismen, so heissen sie mit neuem Namen, früher waren sie Neophyten. Die müssen dann ausgerottet und bekämpft werden, von den Behörden, letztlich auf Kosten der Grundbesitzer, der Gärtner und Bauern. Bei Zuwiderhandlung, vorsätzlicher Kultur oder Verbreitung drohen Geldbussen und Gefängnis bis 3 Jahre… Ist das wirklich eine gute Idee? Sind die sogenannten Invasiven Neophyten wirklich so gefährlich, dass man das Freiheitsrecht auf Eigentum beschränkt. Oder brauchen wir nicht vielmehr sogenannte Gebietsfremde Organismen, um die Vielfalt und die Chance unserer Natur zu erhalten und zu steigern? Sabine Reber und Markus Kobelt beleuchten das in einer Artikelserie, die mit diesem Beitrag startet. Hier versucht Markus eine kurze Philosophie der Pflanze zu skizzieren – und ein paar ethische Folgerungen daraus zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
Ethik und Pflanzenverbote
Bevor wir zu philosophischen Höhenflügen abheben, möchte ich Ihnen eine kleine Feststellung nicht vorenthalten: Während im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Pflanzen und den dazu benutzten Methoden mit Recht auch philosophische und ethische Fragen gestellt werden und sogar von der Politik ernsthaft diskutiert und miteinbezogen werden, ist beim geplanten Vorhaben, Pflanzen zu verbieten und unter Strafandrohung bis zu Gefängnis zu bekämpfen, keine Spur von tieferem Nachdenken zu erkennen. Der Staat und seine undemokratisch eingesetzten Kommissionen entscheiden, welche Pflanzen gut oder schlecht sind, und die kommen dann auf die Liste mit dem Teufelszeug, das zur Verfolgung freigegeben ist. Ein rein technischer, ja eher wohl technokratischer Akt. Jedenfalls entdecke ich im Gesetz und in den Erläuterungen keine Spur von Nachdenklichkeit, keine Abwägung dessen, was man aufs Spiel setzt, wenn man Lebewesen verbietet.
Nochmals zum Vergleich: Zu Recht werden solche ethischen Fragen gestellt, wenn sich der Mensch aufmacht, aktiv ins Genom der Pflanzen einzugreifen. Wenn es dann aber um die natürlichen Pflanzen geht, ist das Nachdenken abgeschaltet. Wir Menschen haben eben lange schon gelernt, so – nämlich in weit überlegener, ja arroganter Manier – mit Pflanzen umzugehen. Sollten wir sie deshalb auch verbieten dürfen?
Die Stellung der Pflanze in unserer Welt
Ich glaube, es war im Biologieunterricht in der Primarschule, vielleicht auch in der Sekundarschule, dass ich wie viele andere die vermeintlich natürliche Ordnung, ja Hierarchie der Welt kennenlernte: Da ist ganz unten die unbelebte Materie, Steine, Erde, Luft, Wasser Licht, dann kommen die Pflanzen, darüber die Tiere und dann – die Krone der Schöpfung, der Mensch. So ein bisschen ist dieses Bild in den letzten Jahrzehnten durch die Tierschutzbewegung (Tierrechte, Tieranwälte etc.) durchgerüttelt worden, aber am Anthropozentrismus hat sich gar nichts geändert. Wir akzeptieren Tiere als (fast) unseresgleichen, weil wir auch Tiere sind. Und darunter dann kommen die Pflanzen, die fast schon mit der unbelebten Materie gleichzusetzen sind.
Am Anfang war… die Pflanze
Diese Darstellung hat einen entscheidenden Konstruktionsfehler: Sie ist ohne weitere Begründung hierarchisch (oben die Tiere, darunter die Pflanzen) und sie missachtet den entscheidenden Qualitätsunterschied zwischen Tieren (dazu gehören nun mal die Menschen) und Pflanzen. Wir Tiere leben von anderem Leben, wir essen (ganz konkret) andere Tiere und Pflanzen. Unser Stoffwechsel braucht diesen Input an organischem Material und anderem Leben, um zu leben. Aus menschlicher Sicht ist das ja ganz ok so – solange es Tiere und Pflanzen gibt. Wenn man die immer grössere Anzahl an Vegetariern betrachtet, so lernen wir sogar, dass Pflanzen in diesem Kreislauf, das Leben aus Leben schafft, vielleicht etwas wichtiger sind als Tiere. Ich bin ein bekennender und leidenschaftlicher Allesesser. Aber sogar ich weiss, dass es einiges effizienter und wohl auch gesünder ist, Pflanzen zu essen.
Aber schauen wir uns die Rolle der Pflanze doch noch etwas genauer an: Sie schafft das eigentliche Wunder, sie verwandelt nicht Gleiches zu Gleichem (Leben zu Leben), sie produziert Leben aus Unbelebtem: aus Wasser, Erde, Luft und Sonne. Damit nicht genug: Sie schafft erst den Sauerstoff, die Luft, die anderes Leben möglich macht. Etwas pathetisch, aber schön bildlich ausgedrückt: Wir Menschen und alle anderen Tiere atmen den Atem der Pflanzen, die damit alles Leben grundsätzlich und ganzheitlich durchwirken. Unser Leben ist ohne das Leben der Pflanzen nicht denkbar.
Ich habe von Autoren wie Michael Pollan oder Stefano Mancuso gelernt, dass es wissenschaftlich aber auch philosophisch eine ganz gute Übung ist, in Bezug auf die Pflanzen mindestens versuchsweise die menschliche Position zu verlassen, auf die Seite der lebensbegründenden Pflanze zu wechseln und in ihrer Logik zu denken. Vor allem habe ich als Gärtner und Züchter aber eines gelernt: Ehrfurcht. Ehrfurcht vor der unglaublichen Kraft, Vitalität und Kreativität der Pflanze, die wir so ganz nie durchschauen werden, die aber immer nur eines macht: Leben schafft, eigenes und fremdes. Aktuell bearbeite ich ein Feld von knapp 3000 Tomatenpflanzen, alles eigene Individuen aus Kreuzungen. Wir züchten auf Resistenz gegen die gefürchtete Kraut- und Braunfäule, die übrigens selber eine zurückmutierte, auf Chlorophyll verzichtende ehemalige Pflanze ist. Und ich beobachte, wie sich einzelne Individuen und Populationen gegen die Phytophthora wehren, in einer Kreuzungsfamilie besonders spektakulär: Alle Pflanzen gehen zugrunde, aber eine wächst, sie kann sich gegen diesen natürlichen Feind durchsetzen, der auch mal eine Pflanze war. Wer da nicht ehrfürchtig wird, dem ist nicht zu helfen. Ehrfurcht begründet sich auch aus der Erfahrung, dass die Kreativität der Pflanzen meine übersteigt. Pflanzen haben weit mehr Möglichkeiten und Chancen, als ich durchdenken und voraussehen kann. Wenn ich 30 Jahre Züchtung überdenke, so sind die wirklich erfolgreichen und spannenden Resultate in der Mehrzahl solche gewesen, die ich nicht aktiv angestrebt habe, sondern die die Pflanze mir geschenkt hat.
Der Umgang des Menschen mit der Pflanze
Der Umgang des Menschen mit der Pflanze ist ziemlich robust und pragmatisch, manchmal ziemlich brutal, zumindest hier im Westen. Wir kultivieren sie, wir vermehren sie, wir reissen sie als Unkraut aus, wir zerstören sie mit Herbizid, wenn sie nicht in unser Konzept passen, wir bedrängen sie mit Strassen und Gebäuden. Aber irgendwie bewegt sich das alles noch im Rahmen: Wir zerstören ja die Pflanzen immer noch grösstenteils, um sie zu essen, um zu leben. Leben bleibt leben. Diese Grundregel allerdings ritzen wir Menschen, die invasivste aller Spezies, in den letzten 200 Jahren mehr und mehr. Wir leben auch gegen das Leben.
Die neue Qualität: Pflanzen verbieten und bekämpfen
Wenn wir nun daran gehen, uns ganz offiziell gegen die Pflanze, und da vor allem gegen die sogenannten invasiven Neophyten (die im vorgeschlagenen Gesetztestext neu gebietsfremde Organismen heissen), gewinnt dieses Leben gegen das Leben eine neue Qualität. Wir nehmen uns heraus, Pflanzen zu verbieten und zu bestimmen, welche Pflanzen verboten und zerstört werden müssen und welche nicht. Nun könnte man argumentieren, dass wir ja nur Pflanzen vernichten wollen, die lebensfeindlich sind, sich als schädlich gegenüber Menschen und Tieren zeigen? Wenn wir dann aber die wirklichen Gefahren betrachten, die das menschliche Leben bedrohen (die Schlimmsten sind alle menschengemacht), dann zeigt es sich sehr schnell, dass das nur eine vorgeschobene Argumentation, eine Sündenbock-Strategie ist: Wir zeigen auf die Pflanzen, um die eigenen Probleme nicht lösen zu müssen. Und die allerletzte Wendung dieser Geschichte ist an Ironie (oder ist es Zynismus?) fast nicht zu überbieten: Wir wenden uns genau gegen diejenigen Pflanzen – erfolgreiche gebietsfremde Organismen, invasive Neophyten – die sich am schnellsten und erfolgreichsten an die menschengemachten Veränderungen anpassen können.
Die Rache der Pflanzen?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich glaube nicht, dass es so etwas wie eine Rache der Pflanzen gibt, wenn wir uns gegen sie verbünden und Ausrottungsgesetze machen. Pflanzen sind das Leben unserer Welt. Sie sind stur, sie produzieren Leben um des Lebens Willen. Sie sind – hoffentlich – ein unaufhaltsamer Strom. Ein Strom rächt sich nicht, erkennt nicht einmal die verrückten Schwimmer, die gegen ihn ankämpfen. Aber kann man diesem Bild vertrauen, das Leben als Fluss, alles nicht so schlimm? Wie erfolgsversprechend ist es, gegen den Strom zu schwimmen, gegen das Leben?
Das ist aber nur die optimistische Interpretation, die ich als Gärtner und Pflanzenliebhaber natürlich bevorzuge: Es ist schlichtweg lächerlich, Pflanzen zu verbieten.
Das alternative Bild ist weniger erfreulich: Wir dürfen die destruktive Kraft des Menschen, dieses superinvasiven Organismus nicht unterschätzen. Wenn es ihm vielleicht doch gelingen sollte, den Strom der Pflanzen, ihr Leben produzierendes Leben und ihren Atem zu stoppen, zu stauen, dann können wir – um im Bild zu bleiben – nur noch zwischen Trockenheit und Überschwemmung wählen. Und ganz so weit entfernt von der Rache der Pflanzen sind wir dann nicht mehr.
Die Evolution stoppen oder beschleunigen
Dazu kommt: Gerade gebietsfremde Organismen und noch mehr invasive gebietsfremde Organismen sind unter den aktuellen gegebenen Bedingungen ja definitionsgemäss erfolgreich. Das heisst, sie bringen uns auch unglaublich viele Chancen, viel mehr als die Beseitigung ihrer Gefahren je versprechen könnte. Gerade weil wir Menschen so zerstörerisch wirken, brauchen wir auch erfolgreiche Pflanzen, die das aushalten, wir brauchen keine Entschleunigung, sondern eine Beschleunigung der Evolution, die mit unserem zerstörerischen Tempo Schritt halten kann. Und genau diese erfolgreichen Pflanzen möchten wir nun verbieten.
Hybris und Lächerlichkeit
Als die Neue Zürcher Zeitung NZZ am 5.8.2019 einen grossen journalistischen Artikel zu den Pflanzeninspektoren und dem Gesetzesprojekt auch auf Facebook zur Diskussion stellte, meldeten sich die meisten Leser negativ zur Vorlage, wandten sich also instinktiv gegen das Gesetzesvorhaben. Jeder zweite – das war den kurzen Kommentaren anzumerken – konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
Die spinnen. Das geht doch nicht. Die machen sich ja nur lächerlich.
Instinktiv erkennen wir, wie dummhochmütig so ein Versuch ist: Hochmütig, eben einer Hybris entsprungen, weil wir uns anmassen, die Quelle unseres Lebens zu verbieten. Dumm, weil das Projekt kaum Aussicht auf wirklichen Erfolg hat, bzw. der Erfolg definitionsgemäss ein Misserfolg wäre.
Wir alle wissen eigentlich, dass wir ERFOLGREICHE Pflanzen brauchen. Die akkumulierte Watchlist mit verdächtig erfolgreichen Pflanzen, die allenfalls verboten werden sollten (eben weil sie erfolgreich sind und zufällig gebietsfremd) umfasst systembedingt (Beamte und Pflanzenpolizei brauchen ja Arbeit) schon über 100 Pflanzen… Wir zerstören, was uns vielleicht noch helfen könnte. Sabine hat mit ihrem Verbieteritis-Rausch schon recht. Denken wir das Hybrisprojekt zu Ende: Wollten wir Pflanzen ausrotten, müssten wir gleich auch die meisten Wildtiere verbieten, zuallererst die Vögel, alle grenzübertretenden Organismen (da wäre dann auch der Mensch gemeint) müssten bis auf die Haut gefilzt werden und Bienen könnten ja auch Pollen übertragen und so die Gene einschleppen – nachdem wir sie eben noch gerettet haben, müssten wir sie nun endgültig ausrotten. Ja, Hybris ist lächerlich – aber auch gefährlich, weil sie selbstzerstörerisch ist.
Pflanzen verbieten
Pflanzen zu verbieten ist eine ganz schlechte Idee. Es ist kein Zufall, dass das Konzept, in Pflanzen vor allem Gefahren zu sehen, erst sehr jung ist und in den USA seinen Ursprung hat: Der Quarantine Act des amerikanischen Kongresses kurz vor dem Ersten Weltkrieg brachte erstmals in der Geschichte ein Gesetz, das Pflanzen als Feind und Bedrohung definierte. Die meisten historisch belegten Ausrottungsaktionen gegen Pflanzen endeten denn auch wie das Hornberger Schiessen und wie die meisten Kriege: Nichts erreicht, nichts gewonnen, viel verloren. ‘Lächerlich’ könnte man auch sagen. Aber eben auch ziemlich gefährlich.
Wenn wir Pflanzen verbieten, und wenn systembedingt diese Verbotslisten national und international immer grösser werden, ist – bei aller Lächerlichkeit – grosser Schaden kaum abzuwenden. Wir zerstören Pflanzen, die erfolgreich sind, wir zerstören Chancen, wir wenden uns gegen das Leben selber, gegen den Atem, den auch wir atmen.
Wir sollten Pflanzen nicht verbieten.
(Nachbemerkung: Das Gesetzesvorhaben in der Schweiz wendet sich gegen gebietsfremde Organismen, meint also wohl neben Pflanzen auch Tiere, Bakterien, vielleicht auch Pilze. Wir verstehen etwas von Pflanzen und beschränken uns deshalb hier auf diese. Aus grundsätzlichen Gründen (siehe oben) ist es wahrscheinlich keine gute Idee, pflanzliches und tierisches Leben gemeinsam abzuhandeln.)
(Literatur: Ich habe im Artikel bereits die Autoren Stefano Mancuso und Michael Pollan erwähnt. Eine regelrechte Offenbarung für mich waren die ersten 23 Seiten des Buches von Emanuele Coccia: Die Wurzeln der Welt. Allerdings wird es später etwas schwärmerisch, für mich teilweise auch unverständlich. Aber 23 Seiten sind genug für ein wunderbares Buch!)
Doch, Neophyten sind ein Problem
Diesmal bin ich mit Ihnen aber ganz und gar nicht einverstanden. Gerade wenn es um den Erhalt der Biodiversität geht, können invasive Neophyten ein Problem sein, weil sie grosse und letzlich monotone Monokulturen bilden und die einheimische Vielfalt verdrängen. Auch können Neophyten wie etwa der Staudenknöterich, der gerne Uferböschungen besiedelt, die Erosion fördern und Mauerwerk schädigen.
Oft steht Unwissenheit am Anfang: Ich erinnere mich an eine Freundin, die ein paar Exemplare des drüsigen Springkrauts in ihrem Garten pflanzte und sich über deren rasche Ausbreitung freute. Ein paar Jahre später war die Pflanze in den benachbarten Wald ausgebüchst und bedeckte immer grössere Flächen. Die Gemeinde liess schliesslich die Pflanzen in einer aufwendigen Aktion (auf Kosten der Steuerzahler) entfernen.
Ein zweites Beispiel ist der Essigbaum. Zwei uns benachbarte Liegenschaften (Mehrfamilienhäuser) gehören einer Versicherung, welche die Gärten nur durch völlig unqualifiziertes Personal 'pflegen' - de facto verwildern - lässt. Vor vielen Jahren wurde mal ein Essigbaum gesetzt. Mittlerweile hat er durch Ausläufer beide Grundstücke erobert und drückt neuerdings auch in unseren Garten. Auf einen einzigen Quadratmeter, zum Teil mitten durch die Rosen, spriessen teilweise 5 bis 10 Ausläufer; es entsteht ein regelrechter Essigbaumwald.
Noch ein ausländisches Beispiel: Rhododendron ponticum überwuchert mittlerweile die heimischen Eichenwälder in Wales und Schottland und Heidelandschaften im südlichen England.
Natürlich kann man gewissermassen darwinistisch argumentieren: Survival of the fittest, der Rest geht drauf. Aus der Sicht des Naturschutzes und der Biodiversität ist dies indessen nicht wünschbar. Auch als Gartenbesitzer bin ich wenig erfreut, wenn der Nachbar - vielleicht aus Unwissenheit - invasive Neophyten 'kultiviert', zumal manche unter ihnen, wie der Staudenknöterich und der Essigbau, sehr schwierig zu bekämpfen sind, weil aus jedem Stück Wurzel wieder eine neue Pflanze entstehen kann.
Dass man solche invasive Neophyten nicht mehr im Handel anbieten und nicht mehr im Garten oder sonstwo pflanzen darf, finde ich richtig. Man wird wohl auch nicht darum herum kommen, bestimmte besonders aggressive Neophyten, die sich bereits in Gärten befinden, zu entfernen.
Werden wir noch grundsätzlich: Der Mensch hat der Natur noch nie ihren Lauf gelassen. Fast alle Landschaften sind Kulturlandschaften. Der Mensch hat seit jeher Einfluss genommen darauf, welche Vegetation wo wächst, natürlich zwangsläufig unter Beachtung der pflanzenökologischen Anforderungen. Das gilt auch für die Schweiz: In den letzten 50 Jahren haben wir eine völlige Umkehrung der Verhältnisse erlebt: Die Agrarflächen verarmen ökologisch völlig, während die Städte zu Biodiversitätsnischen werden. Beides ist letztlich Menschenwerk.
Es gibt keine Beispiele, wo Neophyten grossfächige Landschaften erobern, wie wir uns das so aus Gruselfilmen vorstellen. Da hat die Natur schon vorgesorgt: Monokulturen, und wenn es denn die von invasiven Neophyten wären, finden sehr schnell ihre Feinde und ihre Probleme...Der naturschützende Blick ist einfach auch viel zu ungeduldig. Unsere Zeit hat leider nur wenig mit der Zeit der Natur zu tun.
Grundsätzlich wird es bei der Klimaveränderung (Tessin, England) einfach deutlich mehr immergrüne Pflanzen geben, im Unterholz der Hecken in England habe ich auch schon immer mehr Kirschlorbeer entdeckt: Das ist der natürliche Lauf der Dinge - basierend auf der menschengemachten Klimaerwärmung. Und das ist - mit etwas Weitblick und Geduld gesehen und mit Betracht auf grössere Regionen - auch ok so.
Es ist selbstverständlich erlaubt, Pflanzen zu bekämpfen. Auch ich muss sogenannte Unkräuter bekämpfen. Aktuell haben wir ein Baumschulfeld voll von Ackerwinden; wenn ich Bäume will, muss ich etwas unternehmen. Das mache ich aus eigenem Interesse.
Die neue Qualität in der Vorlage ist das offizielle Verbot: Die Pflanze (und die Kommissionen wissen genau, welche...) müssen ausgerottet werden, das Freiheitsrecht des Eigentums wird eingeschränkt, Nachbarn einigen sich nicht zusammen, sondern der Gesetzgeber schreitet ein, es wird prozessiert.
Eine Leserin hat mir gerade berichtet, wie jetzt schon die Naturschutzkommission auftritt, und wie doch so schnell Artemisia mit Goldruten verwechselt werden. Es ist nicht fein, aber ich muss es nochmals wiederholen: die Blockwartmentalität ist bei Menschen nicht ganz selten anzutreffen. Man muss sich einfach mal den Unfrieden und die Prozesslawine vorstellen,die durch ein solches Gestzt entsteht.
Eigentlich könnte ich mit einem Vertriebsverbot für einige Pflanzen durchaus leben (auch wenn ich es grundsätzlich für falsch halte), weil es klare Leitlinien gibt und einfach einzuhalten und zu kontrollieren ist. Aber hier soll nicht der Vertrieb, sondern die Pflanze selber verboten werden. Und schauen sie sich jetzt schon mal die Listen an: Die werden immer grösser, weil sich der Apparat selber vervielfältigen und erhalten will. Brombeeren gehören jetzt dazu, gemeint ist Rubus armeniaca, aber schon werden im Migros dornenlose Brombeeren mit gelber Judenbinde verkauft. Die haben aber genetisch gar nichts mit Armeniaca zu tun, sondern stammen von amerikanischen Rubusarten ab und sind sicher nicht invasiv, aber ebenso sicher auch zu 100% nicht heimisch. Oder Kirschlorbeer, oder Sommerflieder? Was kommt als nächstes auf die Watchlist und wird schliesslich zum Todeskandidaten?
Letztlich habe ich wirklich eine sehr dynamische und auch vertrauensvolle Sicht auf die Evolution: Ja, die Fittesten überleben. Das führt im kleinen Raum gegebenenfalls zur Dominanz einer Art (ganz selten und auch nie so,dass nichts anderes mehr wächst), grossräumig aber führt es zu mehr Vielfalt und Diversität. Wenn Pflanzen aufgrund menschlicher Unvernunft gehen, müssen auch unbedingt andere neue kommen!
Der bekannte Biologe und Zoologe Chris D. Thomas hat in seinem Buch Inheritors of the Earth eindrücklich und anhand von unzähligen Detailstudien (gerade zu England) gezeigt,dass einwandernde Arten die Artenvielfalt nicht etwa verringern , sondern vergrössern, wenn man grössere Regionen (wie zB Südengland) anschaut. Es ist nur der Mikroblick, der uns das meistens nicht erkennen lässt.
Wie auch immer: Ich vertraue auf die Kraft der Pflanzen und der Evolution, ich sehe sie als Züchter jeden Tag... Ich habe definitiv etwas gegen Gesetze,die das steuern und aufhalten wollen, ich habe aber auch gar nichts gegen die Bekämpfung betimmter Pflanzen hier und dort, wo es halt Sinn macht und wo ein Konsens entsteht. Wir sind vernunftbegabte Wesen. Da sollte jetzt vielleicht doch ein ?Fragezeichen? stehen? Gesetze für die Regelung biologischer Vorgänge zu benutzen, ist nicht vernünftig.
Herzliche Grüsse und ein schönes Wochenende
Markus Kobelt
Neophyten verbieten ist nicht wie einen sinnloses EU reglemente betreffend die minimum und maximum Grosse eines Gurkens oder wieviel Grad der Kurve einen Banane haben soll, sondern etwas das unser Natur schutzen und steuergelder sparensoll.
Ich nehme an, Herr Kobelt ist anscheinend nicht in Tesin oder Nord Italiens, wo es überall fast nur monokulturen von Neophyten, wir Japanische Knoterich, Essigbaum oder so gibt. Letzte Monat war ich in Bayern in den Ferien und auf meine Wanderung merkte ich dass seit letztes Jahr ist es fast nur mit Drusiges Springkraut und Kanadische Goldrute überwucheret. Die sonst schöne einheimishe (oder eben, nicht einheimisch aber auch nicht so dringliche Neophyten) sind jetzt weg. So schade.
Neophyten werden immerhin erlaubt: nur nicht die die in unser Umgebung Problemen verursachen. Wenn wir wollen, dass unser schöne Schweiz eine schöne und vielfältige Natur hat, dann mussen die Fachmänner und -frauen sich informieren und verantwortungsbewüsst handeln, nicht reklamieren über die beschränkte Freiheit und das unerwünschte einmischung von der Politik ins sache Klima und Umwelt... Es macht keinen Sinn diese pflanzen zu verkaufen, und dann nachher zu erwarten dass der/die Gärtner(in) die Blüten abschneidet - was eigentlich schon Pflicht ist, weil er darf seine Gefährliche Neophyten nicht verbreiten lassen - und dazu noch Steuergeld einsetzen um diese Pflanzen wieder aus die Natur auszuroden - was bei einige Pflanzen fast nicht möglich ist.
Ihr sind am erste Reihe betreffend verantwortungsvolle Informieren ihre Kunden und nachhaltige Verkauf und Sie sind bestens plaziert um noch andere, schönerer Pflanzen vorzuschlagen, die auch für Insekten, Vogel Freude sorgen.
Markus Kobelt