Eigentlich müsste die Feige eine geradezu perfekte Kandidatin für eine klimaresiliente Pflanze für unsere nördlichen Gärten sein: Sie weiss mit Hitze und Mangelsituationen umzugehen, sie kommt auch mal mit ganz wenig Wasser aus, auf engen Wurzelraum und fehlende Mineralisierung reagiert sie sofort mit einem Kompaktwuchs. Stirbt sie oberirdisch einmal ab (weil es ihr im Winter doch zu kalt wurde…), so regeneriert sie in der Regel problemlos wieder aus dem Wurzelstock. Aber wie immer, wenn eine Pflanze in ihrer Entstehungs- und Kulturgeschichte eine sehr weite Reise hinter sich hat, gibt es auch Probleme. Die Feige hatte trotz Klimaveränderung viel zu wenig Zeit, um sich an die veränderten Lebensumstände bei uns im Norden anzupassen. Dies gilt es in der Kultur mit gärtnerischem Wissen, auch mit einigen Tricks und schliesslich auch mit einer gehörigen Portion Geduld auszugleichen. Den einwandernden Feigen muss halt etwas nachgeholfen werden, bevor sie uns mit ihren süssen Früchten entzücken können… In unserem Gartenshop kannst du ertragreiche Feigenbäume kaufen.
Wenn ich das Kundenfeedback der letzten Jahre übersehe und zusammenfasse, so gibt es vier Problembereiche: Gärtnerisches Wissen, Schnitt und Düngung, Fruchtansatz und Fruchtentwicklung und last but not least die Winterhärte.
Inhaltsverzeichnis
Gärtnerisches Wissen: Diese Feigensorten gibt es
Ich weiss, ich darf jetzt hier nicht zu weit ausholen, sonst pflanzt vor lauter Angst niemand mehr Feigen. Aber es ist halt entscheidend, dass man weiss, was für eine Feige man im Garten stehen hat und kultiviert. Entsprechend haben wir unser Feigensortiment in 3 Hauptgruppen unterteilt:
Sommerfeigen
Sommerfeigen setzen im Herbst und Winter klitzekleine Blütenfeigen an der Spitze der Jahrestriebe an, die sie dann im Frühling weiterentwickeln und im Sommer zur Reife bringen. Diese Blütenfeigen sind relativ delikat, bei Temperaturen unter -10 bis -12°C erfrieren sie häufig. Es ist also ganz wichtig, dass Sommerfeigen an Hauswänden und an Mauren gepflanzt werden oder auch langfristig im Topf kultiviert werden, um zu einem sicheren Ertrag zu kommen. Und der Gärtner, der im Frühling vom Schnittfieber erfasst wird und alle Spitzen einkürzt, der wird auch nie Sommerfeigen ernten… Umgekehrt bieten Sommerfeigen einen reichen Lohn für alle Gärtnermühen, sie werden dann reif, wenn man Feigen am liebsten geniesst: Im Sommer, wenn der Süden und die Ferien im eigenen Garten zuhause sind.
Herbstfeigen
Herbstfeigen tragen direkt am diesjährig entstehenden Holz, das heisst während des laufenden Wachstums setzt der Feigenbaum an vielen Nodien Früchte an. Wichtig ist hier ein ruhiges und stressfreies Wachstum über die Vegetationsperiode, um diesen Prozess ja nicht zu stören. Und es braucht auch auf Seiten der Gärtnerin ruhig Blut und etwas Nerven: Man darf sich im Herbst nicht daran stören, dass ein Gutteil der Früchte in unserem Klima je nach Jahresverlauf nicht reif wird, gute frühreifende Herbstfeigen bringen trotzdem genug reife Früchte. Also nicht auf die letzten grünen Feigen schielen, die erst im August entstanden sind und nie mehr reifen können, sondern sich auf die zuerst angesetzten Feigen konzentrieren, die auch ausreifen werden. Es ist halt wie im Leben: Es ist deutlich befriedigender, sich auf das zu konzentrieren, was man haben kann – und nicht auf das, was ausserhalb der Reichweite liegt… Auch das halbvolle Glas löscht den Durst… Ein Kappen der Triebspitzen im Spätsommer (ca. Ende August/Anfang September) kann dem Feigenbaum helfen, mehr Kraft vom Triebwachstum auf die Ausreife umzuleiten. Ein zur früher Rückschnitt kann allerdings auch das Gegenteil bewirken.
Twotimer®-Feigen
Twotimer®-Feigen bieten das gewünschte Nonplusultra, zwei Erträge auf einem Baum. Aber was fast wie die Erfüllung aller Feigenträume aussieht, ist auch eine grosse Herausforderung. Grundsätzlich machen wir die Erfahrung, dass es manchmal einfacher ist, in einem wintermilden Klima voll auf Sommerfeigen zu setzen oder in einem Klima mit einer langen und warmen Vegetationsperiode voll auf eine Herbstfeige zu vertrauen, als sofort alles zu wollen.😉 Dennoch sind natürlich die Twotimer®-Feigen die Hohe Schule der Feigenkultur: Hier ist nach dem 4. Standjahr vor allem auch der richtige Schnitt entscheidend, um den Erträge auf die Sprünge zu helfen. Zum Schnitt der Feigen habe ich auch eine ausführliche Anleitung im Gartenbuch verfasst. Die Twotimer® Feigen haben bei allen Schwierigkeiten und Herausforderungen einen Vorteil: Auch bei ungünstigen Bedingungen und bei Kulturfehlern sollte mindestens ein Teilertrag in den meisten Jahren möglich sein.
Informiere dich also über die drei Feigentypen vor dem Feigenkauf, in den jeweiligen Kategorien haben wir ausführliche Texte verfasst, in denen man das Funktionieren der 3 Feigentypen kennenlernen kann.
Ich hoffe jetzt natürlich, dass du immer noch Feigen pflanzen willst. 😉 Und so kommen wir zum zweiten Problemkreis:
Schnitt und Düngung
Der Schnitt ist für die uralte Kulturfeige eine relativ neue Erfahrung und man sollte sie damit nicht überfordern oder gar verwirren. Ich rate dringend, in den ersten 3 bis 4 Jahren gar nichts zu schneiden und der Feige ein natürliches Wachstum zu ermöglichen. So findet sie selber in ein Gleichgewicht zwischen Triebwachstum und Fruchtansatz – und beginnt endlich zu fruchten. Auch bei nichttragenden älteren Feigenbäumen ist es die erfolgversprechendste Massnahme, zunächst mal einige Jahre auf Schnitt zu verzichten. Dieselbe Zurückhaltung gilt für die Düngung. Natürlich muss man eine Feige im Topf düngen, aber bitte sei eher geizig mit deinen milden Gaben. Im Freiland sollte man ausser bei der Pflanzung gar nicht düngen – bei nichttragenden älteren Feigenbäumen ist Düngung verboten. Die Feige ist eher hungrig gross und alt geworden, damit kann sie umgehen. Erhält sie Nahrung im Überfluss, betont sie nur das vegetative Triebwachstum und wächst gen Himmel. Was soll sie auch noch Früchte ansetzen, wenn ihr alles gratis frei Haus angeboten und geliefert wird…
Fruchtansatz und Fruchtentwicklung
Hier ist es wichtig zu wissen, dass unsere nördlichen Feigen ohne Befruchtung auskommen müssen, weil es die dazu notwendige Befruchterwespe nördlich der Alpen gar nicht gibt. Und wir müssen auch gar nicht darauf warten, dass sie jetzt auch noch einwandert (dies wird sicher früher oder später geschehen). Nein, die Feige hat, unterstützt von menschlicher Selektion, einen Mechanismus entwickelt, partheokarp, also ohne Befruchtung Früchte anzusetzen… Dieser Mechanismus ist allerdings sehr heikel, kompliziert und auch schwer verständlich (für die Feige und für uns). Man kann sich das so vorstellen, dass der Feigenbaum bei einer gewissen Fruchtgrösse letztlich darauf wartet, dass die Früchte (kaum nussgross) befruchtet werden. Dieses Stadium ist meist daran erkennen, wenn das Feigenwachstum für eine gewisse Zeit stoppt. Das Wachstum wird beim parthenokarpen Fruchtansatz dadurch wieder in Gang gesetzt, dass der innerlich gestresste Feigenbaum selber Wachstumshormone ausschüttet, vergleichbar mit denen, die durch die Befruchtung ausgelöst werden. Wird der Feigenbaum in diesem Stadium gestört (durch Schnitt, Düngung, durch sehr grosse Trockenheit, Nässe und andere von der Feige unerwartete Signale), kann sie sich auch entscheiden, die jungen unbefruchteten Feigenblüten abzuwerfen. Feigenfrüchte sind nämlich nichts anders als eine nach innen gestülpte Ansammlung von weiblichen Feigenblüten, aus denen dann, nach echter oder unechter parthenokraper 'Befruchtung' das Feigenfruchtfleisch entsteht.
Und noch etwas: Es gibt zu allem Überfluss auch Feigensorten wie die Feige 'Desert King', die als sogenannte 'San Pedro-Feigen' bezeichnet werden. Diese können zwar problemlos parthenokarpe Sommerfeigen entwickeln, aber für die Herbstfeigen brauchen unbedingt eine Befruchtung. Bei solchen Sorten darf man also nicht erstaunt und auch nicht enttäuscht sein, wenn sie die Herbstfeigen unreif abwerfen. Dies ist auch weiter nicht schlimm, da sich diese Feigentypen bei uns dann umso mehr auf den Sommerfeigenertrag konzentrieren…
Winterhärte und Winterschutz für Feigenbäume
Dies ist vielleicht das grösste Problem, kann aber relativ leicht gelöst werden. Feigen sind bis -12°C, unsere besten nördlichen Feigen bis gegen -15°C winterhart. Dies aber nur, wenn es sich um relativ altes, dickes Holz handelt, wenn der Feigenbaum also schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Wir können also die Winterhärte ganz leicht verbessern, indem wir eine möglichst grosse Feige in einem grösseren Topf pflanzen. Dies ist auch der Grund, dass wir nur stärkere Feigenpflanzen im 5 Liter oder 15 Liter Topf anbieten, kleinere Feigen haben im Garten gar nichts verloren, weil sie viel zu anfällig auf Winterkälte sind.
Und vergiss beim Winterschutz der Topffeigen, aber auch der ausgepflanzten Feigen, nie den wichtigsten Ratschlag: Der Schutz gegen die Winterwärme ist viel wichtiger als der Schutz gegen die Winterkälte. Am gefährlichsten für die Feige ist meist nicht die absolut tiefe Temperatur, sondern die warme Wintersonne, auf die dann wieder eine Kältephase folgt (im Januar bis April).
Schliesslich: Der allerbeste Versicherungsschutz für ein langes Feigenleben ist die tiefe Pflanzung: Wenn eine Feige zwei Jahre an einem Ort ausgepflanzt war und wenn sie dann von einem harten Winter getroffen wird, wird sie mit 90% Sicherheit im Mai bis Juli wieder austreiben, aber nur, wenn sie zu Beginn genug tief gepflanzt worden ist. Der obere Topfrand sollte immer mit 15-20cm Mutterboden überdeckt werden.