David Austin hat in seinem langen Züchterleben etwas erreicht, was kaum ein Züchter von sich sagen kann: Er hat die Pflanzenwelt, er hat seine Pflanze, die Gartenrose, nachhaltig verändert. Und er hat eine Rosengruppe geschaffen, die nur dank seiner Imagination, seiner züchterischen Genialität und schriftstellerischen Begabung existiert: Englische Rosen. Interessanterweise schreibt David Austin in seinen Rosenbüchern immer wieder, das auch andere Züchter herzlich eingeladen seien, Englische Rosen zu züchten. Das ist nie gelungen - und explizit auch nicht versucht worden. Dass die Englischen Rosen ganz bei David Austin geblieben sind, hat sicher auch mit seinem frühen Beginn und seinem konsequenten und besitzergreifenden Anspruch zu tun, aber auch mit dem Konkurrenzverhältnis anderer Züchter wie der Harkness Familie oder Peter Beales, die natürlich etwas 'Anderes' züchten und zeigen wollten. Noch etwas fällt auf: Auch wenn niemand ausser David Austin wirklich und mit Anspruch 'Englische Rosen' gezüchtet hat, sind natürlich von verschiedenen Züchtern, von Delbard über Tantau und Poulsen bis zu Kordes Nachahmerprodukte lanciert worden. Märchenrosen, Romantische Rosen, Schlossrosen, Renaissancerosen… Aber irgendwie ist es nie gelungen, die Englischen Rosen, ihre Geschichte und Ausstrahlung einzuholen oder gar zu überholen... Übrigens, im Lubera Shop finden Sie fast 50 verschiedene Englische Rosen von David Austin zum Kaufen.
Inhaltsverzeichnis
- Die Sackgasse der Teehybriden und die Wiederentdeckung der alten Rosen
- Englische Rosen von David Austin: Die Fusion der alten und der modernen Rosen
- 50 Shades of Pink - David Austins Obsession für Blütenblätter
- Englische Rosen und die Wiederentdeckung der Zeit und des Dufts
- Der ganzheitliche Züchtungsansatz von David Austin: Englische Rosen sind Gartenrosen
- Der Geniestreich des Namens: Englische Rosen
- David Austin als Autor: Rosenbücher und die Namen der Rosen
- Der Charm-Faktor: Die Züchtung Englischer Rosen als Kunst
- Der Züchter geht - die Rosen bleiben
Wenn ich in diesem Artikel versuche, dem Geheimnis der Englischen Rosen und seines Züchters auf die Spur zu kommen, so wird das wohl kaum gelingen. Es ist ja ganz offensichtlich auch seinen Mitzüchtern nicht gelungen… Aber es ist doch den Versuch wert, einige Eigenschaften und Herangehensweisen aufzuzeigen, die die Englischen Rosen und ihren Züchter, David Austin unterscheiden und einzigartig machen.
Die Sackgasse der Teehybriden und die Wiederentdeckung der alten Rosen
David Austin beginnt sein langes Züchtungsprojekt zu Beginn der 50er Jahre vorsichtig und langsam, sich gleichsam in die Züchtungswelt und die Rosen hineintastend. Es ist die Hoch-Zeit der Teehybriden, eigentlich besteht die moderne Rosenwelt der 50er und 60er Jahre aus Teehybriden, vulgo Edelrosen. Zwar werden die Farben immer intensiver, aber die stolze Rosenpflanze ist zu einem blütentragenden Schatten ihrer selbst geworden: Einige armselige Triebe, möglichst lang, die aus einem geplagten Rosenstock ausschiessen und in edlen, spitz zulaufenden Rosenblüten enden. Diese sind eigentlich nur schön als Knospe. Sobald sie sich öffnet, ist die ganze Herrlichkeit gleich schon vorbei. In dieser Zeit wird auch endgültig geprägt, was wir unter Schnittrosen verstehen: Ein möglichst langer Stängel, der gerne auch aus Plastik sein könnte und dem ersatzweise wenigstens die Dornen und die meisten Blätter abgestreift werden, und darauf eine möglichst grosse Knospe, die möglichst lang Knospe bleiben soll.
Zur gleichen Zeit werden aber auch die alten Rosen wiederentdeckt: Schriftsteller wie Vita Sackville-West und Virgina Wolf, weit vorausdenkende Gärtner und Baumschuler wie Graham Stuart Thomas und andere beginnen, alte Rosen zu sammeln, wieder zu vermehren. Die alten Rosen stellen in vielen Dingen einen Kontrapunkt zu den Teehybriden dar: Sie sind wenigstens wirkliche Pflanzen, nicht selten in riesigen Dimensionen, nicht bloss auf die Blüte reduzierte Krüppel (meine Polemik hier ist durchaus auch diejenige von David Austin, der es aber etwas eleganter anstellt und die Edelrosen weitgehend mit Nichterwähnung straft). Die alten Rosen zeigen eine Vielfalt von Wuchstypen, aber auch von Blütenformen: ganz klein und offen, einfach, doppelt gefüllt, ganz gefüllt.
Bild: Ramblerrose 'Chevy Chase' – wuchsfreudige Multiflora-Hybride mit feinem Duft
Bild: Ramblerrose 'Paul's Himalayan Musk' – hellrosa, gefüllte Blüten mit starkem Duft
Bild: Ramblerrose 'Félicité et Perpétue' – mit enormer Wuchskraft und Blütenfülle
Bild: Ramblerrose 'Veilchenblau' – mit wunderbarem Duft der Blütenbüschel und fast stachellosen Trieben
Bild: Strauchrose 'Rose de Resht' – ein Leckerbissen für Kenner
Auch wenn aus heutiger Sicht der Gartenwert dieser alten Rosen in der Mehrzahl eher klein ist (sie sind von einigen Gallica- und Portlandrosen abgesehen ganz einfach zu gross und meist nur einmalblühend), so ist die Faszination für alte Rosen ab den 50er oder 60er Jahren schon nachvollziehbar.
Englische Rosen von David Austin: Die Fusion der alten und der modernen Rosen
David Austin beschreibt, ja beschwört es immer wieder in seinen Katalogen und Büchern: Es ist seit den 50er Jahren sein Projekt, den Charme der alten Rosen, ihren Duft, ihren elegant freien Wuchs und ihre gefüllten opulenten Blüten mit der Blühfreudigkeit, dem kontinuierlichen Blühverhalten und der Farbpalette der modernen Rosen zusammenzubringen. Wir dürfen nicht vergessen: Die alten Rosen - ich habe es teilweise schon erwähnt - haben auch entscheidende Nachteile: Sie sind in der Regel viel zu stark wachsend, passen nicht in den modernen, immer kleiner werdenden Garten und sie blühen meist nur einmal im Jahr - was soll ich bitteschön mit einer Gartenpflanze, die nur 3 Wochen lang ihre Schönheit ausstrahlt, aber die Hälfte meines Gartenraums besetzt? Dazu kommt: Die Farbpalette der alten Rosen ist arg eingeschränkt, es gibt nur Weiss, Rosa und dann noch Purpur-violett, Gelb und alle Mischfarben fehlen gänzlich und eigentlich gibt es auch kein echtes und leuchtendes Rot. Erst ab dem Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden aus China Rosen - u.a. die sogenannten Teerosen - eingeführt, die neue revolutionäre Eigenschaften in die alten europäischen Rose einbringen: Die Fähigkeit, im gleichen Jahr Triebe auszubilden und an diesen Trieben auch schon zu blühen, damit auch die kontinuierliche, mindestens wiederholte Blüte, und die vorher gänzlich fehlende Farben Gelb (damit auch Orange, Kupfer, Apricot) und das leuchtende Rot. David Austin und einige andere Züchter, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starten, spüren ganz genau, dass die Teehybride in einer Sackgasse gelandet ist, aber sie wissen auch, dass die Rückwendung zu den alten Rosen alleine kein Selbstzweck sein kann. Bei Pflanzen sind Museen und Sammlungen nur ganz selten die Zukunft, aber sie können - züchterisch genutzt - den Schlüssel zur Zukunft darstellen. Das Alte ist wichtig und relevant, wenn es zu Neuem führt. Hier würde mir David Austin übrigens kaum zustimmen: Er ist immer ein Fan der alten Rosen geblieben und hat sie auch in seiner Baumschule breit neben den eigenen Züchtungen produziert und angeboten.
50 Shades of Pink - David Austins Obsession für Blütenblätter
Wenn David Austin das Ziel seiner Rosenzüchtung als fast unausweichliche Fusion der besten Eigenschaften der alten und der modernen Rosen beschreibt, dann hat er subjektiv sicher recht. Aber es sind SEINE subjektiven Vorlieben, seine Präferenzen, die aus alten und modernen Rosen die Englischen Rosen entstehen lassen.
Wenn wir Englische Rosen aus einigem Abstand betrachten, Ausnahmen als Ausnahmen nehmen, dann sind sie doch in der Mehrheit Rosensorten, die halbgefüllt bis ganz gefüllt blühen, deren Blüten sich langsam auffalten zu voller Grösse, eher gross als klein oder mittel… Blicken wir auf die alten Rosen, dann findet man die bevorzugten Blütenformen der Englischen Rosen vor allem bei den Gallica Rosen, bei den daraus weiterentwickelten Portland-Rosen und vielleicht noch bei der Alba Gruppe. Daneben aber gibt es eine unglaubliche Vielzahl ganz anderer alter Rosen: kleinblütig, nur halbgefüllt, einfach... Englische Rosen - SIND das Resultat einer bewussten Auswahl: gefüllt, duftend, eher gross als klein, mit der dominierenden Farbe Rosa.
Bild: Terrassenrose 'Wisley 2008'® – zartrose, grosse, tolle und aussergewöhnliche Blüten
Bild: Rose 'Wild Eve'® – elegante, zartrosa gefüllte Rosettenblüten
Bild: Rose 'Gentle Hermione'® – perfekt rosa gefüllte Blüten mit vielzähligen Blütenblättern
David Austin beschreibt immer wieder seine Faszination für Blütenblätter, für Rosenpetalen: Wie sie sich entfalten, wie sie halb und ganz das Licht durchscheinen lassen, wie sie gegeneinander und aufeinander wirken, wie sie sich miteinander zu Mustern gruppieren, wie sich je nach Witterung, Tageszeit und Blütenalter ein Spiel von Licht und Schatten und Farbe ergibt. Vielleicht ist diese immer wieder neue Faszination für die Petalen und ihre Vielzahl auch ein Grund für die vielen rosafarbigen Englischen Rosensorten. Zwar kann man die Rosa-Dominanz auch aus der Genetik der alten Sorten herleiten, aber bei David Austin ist sie doch zusätzlich das logische Resultat seiner Obsession für Blütenblätter und ihr Zusammenspiel: Die Rosenfarbe Rosa - das Grau der Farben - zeigt vielfältigere Schattierungen als alle anderen Farben, in immer wieder neuen Ausprägungen, und die dezente Farbe selber macht keine Anstalten, das Spiel der Varianten zu übertrumpfen. Wenn David Austin als Züchter eine Schwäche hat, dann vielleicht diese: Er kann nicht anders und ist den Versuchungen der 50 Shades of Pink rettungslos ausgeliefert. Und so kommen denn, regelmässig wie eine Uhr, jedes Jahr 2 oder 3 neue rosafarbene, gefüllte Englische Rosen auf den Markt...
Englische Rosen und die Wiederentdeckung der Zeit und des Dufts
Die Teehybriden und viele Edelrosen sind eigentlich mit der Blüte durch, wenn sie rechteigentlich beginnt. Englische Rosen sind da auch dank ihrer Blütenfülle und vor allem dank der vielen stabilen Blütenblätter ganz anders aufgestellt. Mit dem Öffnen der manchmal eher unscheinbaren Knospen beginnt das Wunder der Blüte erst und es dauert an, bis die Petalen abfallen. Dies ist vielleicht eine der wesentlichen Errungenschaften von David Austins Englischen Rosen: Er baut den Faktor Zeit wieder in die Rose ein. Und Zeit manifestiert sich nur in der Veränderung: Eine perfekte Schnittrose, die 12 Tage genau gleich bleibt, zeigt zwar keine Ermüdungserscheinungen, aber eben auch keine Veränderungen, sie ist im wahrsten Sinne des Wortes zeitlos (wenigstens 10 Tage lang).
Die Zeit ist noch in einem anderen Sinne sehr eng mit den Englischen Rosen liiert, sie ist ihr Verbündeter: Englische Rosen sind vieles, aber ganz sicher keine 'Instant'- Pflanzen. Sie brauchen Zeit, sich zu etablieren, ihre volle Schönheit aus Blüte, Blatt und Pflanze zu erreichen. Ich habe mehrere Male in meinem Garten erlebt, wie Englische Rosensorten (z.B. Sophie's Rose) erst nach 3-4 Jahren richtig schön wurden und auch immer gesünder wuchsen, so als hätten sie zuerst den richtigen Rhythmus finden müssen, in dem ihnen die Krankheiten nichts anhaben können.
Auch der Duft ist ein Teil der Mehrdimensionalität, den die Zeit einbringt. Er entwickelt sich zu unterschiedlichen Zeiten verschieden, ja er wird sogar von unseren Nasen sehr individuell wahrgenommen. Letztlich hilft da dann nur noch die Sprache der Weinliebhaber und der Parfümeure, um den individuellen Duft einigermassen zu beschreiben, indem man Vergleiche (Früchte, Lebensmittel, bekannte Düfte) zu Hilfe nimmt.
Bild: Rose 'Gertrude Jekyll'® – satt rosa farbende, stark duftende Strauchrose mit dem Duft der alten Rosen
David Austin versucht seit Anbeginn seiner Züchtungsarbeit den Duft in möglichst alle seine Englischen Rosen einzubringen: Eine Rose, die sich in der Zeit verändert, sich entfaltet und öffnet MUSS auch einen Duft verströmen.
Der ganzheitliche Züchtungsansatz von David Austin: Englische Rosen sind Gartenrosen
Mich fasziniert der konsequente Gartenansatz, den David Austin in der Züchtung der englischen Rosen verfolgt. Er denkt und züchtet die Rose immer als Gartenpflanze (ausser im separat abgetrennten Schnittrosenzüchtungsprogramm von David Austin Roses), nicht als Blüte mit angehängter Pflanze. Dies ist allzu häufig die Tendenz bei der Züchtung von Blumen und Blütenpflanzen - die Pflanze geht ob der Blüte vergessen. David Austin beschreibt dagegen in seinen Büchern immer wieder, wie alle drei Faktoren wichtig sind: Die Schönheit der Blüte, die Schönheit der Blätter und die Schönheit des Wuchses.
Und noch dazu - natürlich - Duft und Gesundheit. Letzteres Ziel, die Pflanzengesundheit hat David Austin vor allem in den letzten 25 Jahren verstärkt verfolgt. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts, in den 90er Jahren, startet er seine Züchtungsoperation nochmals neu, um die Krankheitsresistenz zu verbessern. Er führt auf den Züchtungsfeldern ein 'no spray regime' ein und als Resultat sind viele der neueren David Austin Rosen seit dem Jahr 2000 sehr viel robuster als die älteren Sorten (wobei es auch da genügend robuste Sorten gibt, wenn man sie nur richtig einsetzt).
Der Geniestreich des Namens: Englische Rosen
Der grösste Geniestreich von David Austin ist nicht etwa eine seiner wunderbaren Pflanzenzüchtungen, sondern der dafür schon früh gewählte Name: Englische Rosen. Was für einen Mut, was für einen Anspruch, welches Selbstbewusstsein muss man haben, um so einen Namen für die eigenen Züchtungsprodukte zu wählen! Hier kommen sie, die Englischen Rosen! Ohne böse Absicht, aber doch im Namen seiner Rosen gibt sich David Austin selber den Ritterschlag. David Austin argumentiert natürlich mit der Tradition der Rose in England, mit den konkurrierenden Königshäusern, die sich mit Weisser und Roter Rose kennzeichneten und den Krieg der Rosen anzettelten... Was die Namensbesetzung, ja Usurpation erklären soll, offenbart gleich nochmals den Anspruch Austins: Die Rose ist im Kern eine Englische Blume, und ich bin ihr Züchter….
Bild: Rose 'England's Rose' – wurde von David Austin zur Erinnerung an Prinzessin Diana getauft
Diese Chuzpe, dieser freche Mut bei der Namensgebung ist ganz einfach genial: Damit wird das individuelle Züchtungsprodukt universal(er), und es gewinnt gleichsam nebenbei neue Eigenschaften, neue Assoziationsräume: Die romantisch gefüllten Englischen Rosen verbinden sich fast unweigerlich mit dem aristokratischen, aber vielleicht auch leicht morbiden Charme der englischen Gartenkultur, mit ihren Schlössern und Parks, vielleicht auch mit der manchmal von aussen gesehen etwas eigenartig verspielten Spleenigkeit der Engländer und ihrer Gärtner. Ich kann den Seitenhieb nicht lassen - wie verrückt muss einer sein, der jedes Jahr 2-3 gefüllte rosafarbene Rosen auf den Markt bringt? ;-) Ja zugegeben, es ist ein wenig 'verrückt'; aber zusammen mit Durchhaltevermögen verändert fast nur Verrücktheit die Welt.
David Austin als Autor: Rosenbücher und die Namen der Rosen
Ich habe gestern Abend zur Vorbereitung dieses Artikels wieder einmal ein Rosenbuch von David Austin zur Hand genommen und in aller Ruhe und natürlich im Garten die ersten Kapitel zur Entstehung und zum Anspruch der Englischen Rosen gelesen. David Austin - und das sollte man nicht unterschätzen - ist ein sehr guter Gartenautor. Er hat nicht nur wunderschöne Rosen geschaffen, sondern er hat in aller Wortmacht auch darüber geschrieben, und damit die Interpretation seiner Rosen, den Begriff und Auftritt der Englischen Rosen selber mitbeeinflusst, wenn nicht entscheidend geprägt. Heutzutage - im Internet - nennt man das Content Marketing: Ich liefere nicht nur ein Produkt, sondern erzähle zusätzlich seine Geschichte noch dazu.
David Austin ist Autor, Schöpfer auch bei der Namensgebung: Konsequent werden für die Englischen Rosen englische Namen aus der Geschichte, aus der Geographie, immer wieder aus Shakespeares Dramen gewählt. Urenglische Wörter und Begriffe - von Shakespeare bis zum Fussballclub - werden auf Rosen verpflanzt, beginnen zu oszillieren, nehmen und bringen Bedeutung mit. Aus Shakespeares Helden Fallstaff wird eine dunkelrote, ja purpurne Rose, die englische Heimatstadt wird zum Albrighton Rambler. Und wenn man meint, endlich ein französisches Wort entdeckt zu haben (Molineux), so verweist der Name der gelben kompakten Englischen Rose auf das Stadion des regional bedeutendsten Fussballklubs: der Wolverhampton Wanderers…
Bild: öfterblühende Ramblerrose 'The Albrighton Rambler' – dezenter Moschusduft von einer blassrosa Blüte ausgehend
Der Autor und Züchter David Austin wählt also ganz bewusst und auch konsequent seine Namen aus, macht die Englischen Rosen dadurch nochmals…englischer.
Der Charm-Faktor: Die Züchtung Englischer Rosen als Kunst
Bei allen Erklärungsansätzen für den Erfolg und für die Schönheit der Englischen Rosen bleibt doch ein unaufgelöster Rest, etwas, das man kaum erklären kann. Warum, so könnte man fragen, sind die Nachahmerprojekte nicht erfolgreicher, warum laufen die Renaissancerosen den Englischen Rosen nicht den Rang ab, warum überholen die romantischen Rosen der deutschen und französischen Züchter nicht die Englischen Rosen? Als erste Erklärung bieten sich sicher Kontinuität und Beständigkeit an, vielleicht auch mit einem kleinen Anteil Sturheit. David Austin hat immer SEIN Projekt, seine Vision der Englischen Rosen verfolgt. Die Züchtungstaktiken mögen wechseln, das Ziel nicht. Und das über fast 70 Jahre Züchterleben. Die Englische Rose überrascht und entzückt immer wieder mit neuen Wuchstypen, mit noch nie gesehener Blütefülle kombiniert mit ausgezeichnetem Duft und einer guten Pflanzengesundheit. Und ja, gottseidank sind die Farben im neuen Jahrtausend vielfältiger geworden.
Als ich ich vor über 10 Jahren mal in die Züchtungsgewächshäuser in Albrighton schauen konnte, da sah es auf den ersten Blick wie eine gigantische Verschwendung aus: Warum werden jährlich 100'000 Rosensamen ausgesät und zur Blüte gebracht, nur um nachher 3 bis 4 neue Sorten (meist wieder rosa ;-) auf den Markt zu bringen? Wäre da nicht viel Schöneres und Anderes in den 99.9% der Rosensämlinge zu finden, die den strengen Augen des Meisters nicht genehm sind?
Gegen solche Gedanken, die manchmal sicher auch die Zweifel von David Austin selber gewesen sein werden, 70 Jahre lang unermüdlich seine Vision der Englischen Rose zu verfolgen, das ist schon ein gigantisches Lebenswerk. Natürlich tragen also Fleiss und Beständigkeit einen schönen Teil zum Erfolg eines Züchtungsprojekts bei, sie gehören unbedingt dazu. Aber sie erklären immer noch lange nicht alles…
Bild: Kletterrose 'James Galway'® – intensiv rosa, gefüllte Blüten – am Rande edel verblassend
Bild: Rose 'Tranquillity' – perfekt reinweisse Blütenrosetten
Was also ist mit dem unerklärlichen Rest? David Austin erklärt ihn mit einem Wort: Charm. Es ist das, was den Züchter, den Gärtner bei einer Rose anspricht, was sozusagen die Kommunikation zwischen Pflanze und Mensch zum Funktionieren bringt. Ich selber habe auch schon gerne diesen mystischen Moment der Züchtung als Sprachakt beschrieben: Die Pflanze erhebt plötzlich die Stimme, sagt: "Ich bin eine Sorte, Deine Sorte, nimm mich, ich gefalle Dir…" Das von David Austin gewählte Wort 'Charm' meint genau das: Der fast unerklärliche Rest neben und hinter den objektiven Daten (Blütengrösse, Blütenfarbe, Blütenform, Wuchshabitus, Gesundheit), der eine Pflanze plötzlich neben allen anderen herausstechen lässt. Ganz pragmatisch integriert David Austin diesen Charmfaktor in die praktische Züchtungsarbeit, so dass er neben all den objektiven Fakten nicht verloren gehe: Bei allen zu beurteilenden Rosen wird immer ein separater Charm-Wert von 1-10 (umwerfend) erhoben, im genauen Wissen, dass die Summe der objektiven Werte diesen fast unbeschreiblichen 'Charm' nicht abdecken kann.
Der Züchter geht - die Rosen bleiben
Ich habe in den letzten 20 Jahren David Austins Baumschule und den Rosengarten im Albrighton sicher 5- oder 6-mal besucht, einige Male sahen wir beim Rundgang auch David Austin mit Mitarbeitern auf dem Rosenfeld, meist in ziemlicher Entfernung. Unsere Begleiter senkten bei der Erwähnung David Austins immer die Stimme, lenkten so schnell wie möglich wieder vom Rosengenie ab: Er möge es nicht, gestört zu werden, er wolle arbeiten, selektionieren, züchten. Auch wenn man ihn sah, war er schon mehr eine Legende und ein Gerücht als eine reale Person. Einmal, vielleicht ist es schon 12 Jahre her, war ich in der Nähe der Parkplätze am Fotografieren, der schönen informellen Rosenhecke entlang, als David Austin plötzlich vor mir auftauchte. Er war gerade auf dem Weg von seinem Haus, durch die Züchtungsgewächshäuer auf die Freilandfelder. Ich war überrascht, wusste kaum etwas zu sagen, zeigte aber immerhin meine Begeisterung über die wunderschöne Rosenhecke. David Austin - ich kann mich an seine genauen Worte nicht mehr erinnern - war freundlich, verbindlich, ganz englischer Gentleman. Aber auch kurz. Er wollte ja züchten, keinen Smalltalk machen. Schnell ging er wieder weiter und verschwand in den Rosenfeldern.
Bild: David C.H. Austin (1926 - 2018)
Hinter seinen Rosen ist David Austin im Jahr 2018 endgültig verschwunden - er verstarb am 18. Dezember 2018, nach einem 92 Jahre langen Züchterleben. Seine Rosen, seine Worte, seine Namen leben weiter. Und natürlich freuen wir uns auf neue Englische Rosen - auf dass sie den 'Charm' behalten mögen.
In unserem Rosen-Dossier finden Sie noch mehr interessante Berichte über die Königin der Blumen.
Ein wunderbarer Text
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