Menschen neigen dazu, sich zu überschätzen – und Pflanzen zu unterschätzen. Schon als Kinder, kaum auf eigenen Beinen stehend, lernen wir, dass WIR laufen und uns bewegen, den Dornen davonrennen können, während die Pflanzen uns und unseren Fussbällen wehrlos und unbeweglich ausgeliefert sind. Pflanzen schreien nicht mal, wenn wir sie verletzen. Schon von Kind an verinnerlichen wir die Hierarchie: Zuoberst der Mensch (wer denn sonst), dann die Tiere, darunter die Pflanzen, ganz nahe bei der unbelebten Materie.
Dabei übersehen wir die verdeckten, aber äusserst einfallsreichen Überlebensstrategien der Pflanzen, die viel vielfältiger und auch ausgreifender sind, als wir glauben möchten. Früchte und damit Samen können Kilometerweise, manchmal mit bewusster oder unbewusster Hilfe des Vektors Mensch sogar über Hunderte von Kilometern transportiert werden. Wenn’s da die Pflanzen für unsere menschliche Einfalt etwas zu bunt treiben und uns den Blick auf längere Zeiträume trüben, dann erklären wir sie flugs für verboten, weil invasiv. Und natürlich sind da auch noch die Wurzeln, die ebenfalls in der Lage sind, die Pflanze unterirdisch zu bewegen, ihr zu helfen, den Standort zu wechseln und Angriffen auszuweichen. Das sei das schlimmste Unkraut, meinen wir gerne dazu. Und wenn das Unkraut zu allem Übel auch noch ausländisch ist, wird es ebenfalls verboten. Auf Invasionen darf man ja mit Gewalt reagieren, das lernen wir im Geschichtsunterricht.
Der Ewige Kohl oder auch Baumkohl, der über Jahre geerntet werden kann und wohl als nachhaltiges Gemüse par excellence gelten darf, zeigt noch eine andere Bewegungsstrategie, die fast schon metaphorischen Charakter hat. Der Baumkohl fällt um, steht wieder auf, und geht damit langfristig wieder weiter. Sobald einige angebrochene oder vom Gewicht der Blätter überlastete Äste den Boden berühren, bewurzeln sie sich und starten so ein neues Pflanzenleben. Das seinerseits irgendwann wieder umfallen, wieder aufstehen und weitergehen wird. Umfallen, aufstehen, weitergehen.
Bild: Ewiger Kohl 'Dauberton's Green' (Brassica oleracea var. acephala) – der Grünkohl, der als Baum wächst
Bevor wir uns noch mehr über die schöne Metapher freuen, gleich der Hinweis auf einige weitere clevere Pflanzen, die diese Bewegung beherrschen: die Luft- oder Laufzwiebel allen voran; aber auch holzige Pflanzen wie die Maulbeeren beherrschen diese Guerillataktik des ewigen Lebens – auch ohne Sex.
Davon wollen wir vielleicht nicht alles lernen.
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Vielen Dank für die Antworten und freundliche Grüsse
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