Muss man wirklich weit reisen, um das Offensichtliche zu sehen?
Die richtige Antwort lautet: Man muss!
Als ich vorletzte Woche Gartencenter und Baumärkte im Hinterland von Washington State rund um Wenatchee, die selbsternannte Welthauptstadt des Apfels und rund um Portland im Bundesstaat Oregon besuchte, da staunte ich nicht schlecht: Overall und von Ausnahmen abgesehen waren die Pflanzen viel schöner und frischer als um diese Zeit in einem durchschnittlichen Gartencenter oder in einem Baumarkt in Deutschland oder in der Schweiz. Bei den ersten, ziemlich kleinen und verschupften Gartenabteilungen eines Walmarts und einer Homedepot-Filiale in Wenatchee hatte ich noch an einen Zufall geglaubt, aber nach zwei weiteren Tagen Gartencenter- und Baumarktbesuchen verdichtete sich der erste Eindruck zur Gewissheit: Die amerikanischen Pflanzen sind einfach schöner!
Aber warum? Sind die Amerikaner gegen alle Vorurteile doch die besseren Gärtner als wir Europäer? Was machen wir falsch?
Die richtige Antwort lautet hier: die Amerikaner sind nicht die besseren, aber mindestens die gleich guten Gärtner wie wir! Und wir machen nichts falsch, aber die Amerikaner machen etwas ganz richtig, was wir gerne an Ihnen kritisieren: Sie tendieren naturgemäss zur Grösse. Big is beautiful. Die Gläser sind grösser als gross und natürlich ist der Refill gratis. Die Teller sind so überfüllt, dass das Nicht-vollständig-Aufessen schon fast zum guten Ton gehört; und über die Grösse der Autos, vor allem auch meines Mietwagens, hüllen wir den Mantel des Schweigens.
Was uns Europäer aber an unsere Überlegenheit glauben lässt (weniger Food waste, Autos mit weniger Verbrauch, begrenzter Konsum von Süssgetränken) schlägt bei den Pflanzen ganz eindeutig zugunsten der transatlantischen Gärtnerfreunde aus: Grosse Töpfe bedeuten schönere Pflanzen! Tja, so einfach ist das: grössere Stresstoleranz, bessere Ernährung, einfachere Bewässerung, mehr Luft und Abstand, in der Produktion wie auch im Gartencenter.
Und die Töpfe sind wirklich gross, sehr gross, manchmal 2 Klassen grösser als in Europa, 10lt anstatt 3lt, 5lt anstatt ein 13er Topf. Wie das aufgeht für die Produzenten und für die Logistik – ich weiss es nicht. Mindestens bei den unabhängigen Gartencentern ist mir jedoch aufgefallen, dass sehr viele ihre Pflanzen selber produzieren, nur Jungpflanzen einkaufen. Damit ist das Transportproblem gelöst und die Qualität vor Ort steigt weiter an, weil sehr frische Pflanzen im Verkaufsgelände stehen.
Nun denken Sie sicher, dass diese Amerikanische Lektion in gärtnerischer Grösse nur uns Profigärtner was angeht. Weit gefehlt! Sie betrifft in ebensolchen Mass auch die Hobbygärtner. Kübelpflanzen aller Art, Beeren und Obst in Kisten und Gefässen, die mobile Permakultur auf Balkon und Terrasse nehmen rapide an Beliebtheit zu. Aber nur wer die Gefässe gross genug wählt, wird damit längerfristig Erfolg haben. Was aber ist gross genug? Dazu ein ungefährer, aber sachdienlicher Hinweis: Wählen Sie beim Eintopfen das 4 bis 6fache des Topfvolumens der Pflanzen, die sie in den Kübel pflanzen wollen. Und auch dann fahren Sie nochmals besser und sicherer, wenn Sie die Topfgrösse am Schluss nochmals um eine Stufe nach oben verschieben.
Big is beautiful. Nicht nur in Amerika.
PS: Dieser und andere Artikel wurden möglich durch einen USA-Trip, der vom Oregon Department for Agriculture unterstützt wurde. Ich möchte mich für die Einladung und die grosszügige Unterstützung nochmals bedanken. Natürlich hätte ich auch ohne diese Einladung wieder einmal die USA besucht, aber nicht jetzt und auch nicht mit dem breiten gartenbaulichen Fokus.