Das Weinreben ausgeizen gehört im Weinbau zu den sogenannten Laubarbeiten und besteht im Wesentlichen darin, dass vorzeitige Seitentriebe der diesjährigen Haupt- und Fruchttriebe frühzeitig entfernt werden. Dieser Job, der im Übrigen rasch erledigt ist, braucht kein grossartiges gärtnerisches Fachwissen und wird ab Mitte Juni bis zur Reife der Tafeltrauben wesentlich dazu beitragen, dass die wertvollen Weinreben Pflanzen gesund bleiben und höchstmögliche Erträge in sehr hoher Qualität liefern. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen die Vor- und Nachteile des Weinreben Ausgeizen näher bringen. Bei uns im Shop können Sie qualitativ hochwertige Weinreben kaufen.
Inhaltsverzeichnis
- Unterschiedliche Meinungen zum Ausgeizen der Weinreben
- Weinreben ausgeizen – wie geht das praktisch?
- Warum die Reben Geiztriebe ausbilden – und wir nicht immer glücklich darüber sind
- Weinreben ausgeizen: Die zwei Hauptregeln
- Nochmals: Warum auch Geiztriebe wertvoll sind
- Warum dem Gärtner die Geiztriebe doch nicht gefallen?
- Die fünf wichtigsten Tipps zum Ausgeizen der Weinreben
Unterschiedliche Meinungen zum Ausgeizen der Weinreben
Pro und kontra der unterschiedlichen Meinungen, wie es im Übrigen nicht nur beim Weinreben ausgeizen, sondern auch bei den Tomatenpflanzen allgegenwärtig ist, liegen hierbei weit auseinander, wie ein kurzer Blick in die Fachliteratur offenbart: "In alten Weinbaufachbüchern wird noch das Entgeizen empfohlen. Die moderne Weinwissenschaft hat bewiesen, dass die Geize wesentlich zur Ernährung der Traube und damit zur Zuckerbildung beitragen. Geize gehören zum botanischen Bild der Rebe" (Zitat aus "Tafeltrauben für den Hausgarten" von Gerd Ulrich, erschienen 1994 im Ulmer Verlag).
Weinreben ausgeizen – wie geht das praktisch?
Wie gesagt: Geiztriebe sind bei der Weinrebe (wie z.B. auch bei der Tomate) vorzeitige Seitentriebe, die aus den Blattachselknospen der diesjährigen Haupt- und Fruchttriebe während der Vegetationsperiode (meist ab Mitte bis Ende Juni) entstehen. Da sie – vermeintlich, wie wir weiter unten zeigen – zu nichts nütze sind, eben geizig und nur auf den eigenen Vorteil bedacht, und da sie später auch noch zu fruchten beginnen und damit den Hauptertrag konkurrenzieren, werden sie traditionellerweise entfernt. Dabei wird der noch sehr junge Geiztrieb von wenigen cm Länge zwischen Zeigfinger-Nagel und Daumen an der Basis abgeklemmt und entfernt. Ein etwas grösserer, 10-20cm grosser Geiztrieb wird einfach seitlich abgerissen, wobei aber die Gefahr bestehen kann, dass auch der Haupttrieb beschädigt wird. Grössere Geiztriebe müssen dann schon mit der Schere (im Rebbau mit der sogenannten Laubschere) entfernt werden.
Bild: Drei Geiztriebe an einer Weinrebe
Warum die Reben Geiztriebe ausbilden – und wir nicht immer glücklich darüber sind
Es gibt gute Gründe, warum das Ausgeizen der Weintrauben bis heute ziemlich kontrovers ist: Warum sollten wir der Weintraube etwas wegnehmen, was sie selber über Millionen von Jahren als Überlebensstrategie entwickelt hat? Nicht nur zeigen moderne Untersuchungen, dass die Geiztriebe einen deutlich positiven Energiesaldo aufweisen (also entgegen dem alten und landläufigen Vorurteil mehr Energie produzieren als sie verbrauchen), sie produzieren ja auch später im Jahr noch Blüten und (meist kleine) Trauben, die man ab und zu im Spätherbst noch gerne vom Rebstock nascht. Genau hier kommt nun der Geiz ins Spiel, dieses Mal eben nicht der Geiz der Geiztriebe und der Weinrebe, sondern der Geiz des menschlichen Kultivateurs: Er will eben nicht möglichst viele Trauben (wie die Rebe selber, die unter allen Umständen überleben und Samen produzieren will), er will möglichst gesunde und süsse Tafeltrauben, mit Vorteil in einer Grösse, wo die einzelnen Beeren in einem positiven Grössenverhältnis zu den Kernen stehen.
Weinreben ausgeizen: Die zwei Hauptregeln
Und genau deshalb halten wir das Weinreben Ausgeizen bei solchen ertragreichen Tafeltraubensorten wie unserer weissen Seyval blanc, der dunklen Dirju Campbell Early oder der neuen kernlosen White Dream durchaus für angemessen und sinnvoll. Dennoch hängt diese Verjüngungskur für den Weinstock eng mit den klimatischen Besonderheiten und der konkreten Wettersituation bei Ihnen vor Ort ab. Dabei gelten folgende zwei Grundregeln:
- In einem normalen Jahr sollen die Geiztriebe entfernt werden, damit nicht zu viel Kraft in den Wuchs der Reben verloren geht, die von den Pflanzen viel effektiver für die Traubenbildung und das Aroma ihrer Früchte benötigt und verwendet wird.
- Handelt es sich dagegen um ein Frostjahr, entfällt das Weinreben ausgeizen, da sich an diesen Trieben später neue Trauben, sogenannte Geiztrauben entwickeln werden, die den Ertragsausfall zu einem Teil ausgleichen können.
Hier genau trifft sich der Geiz des Rebenkultivateurs mit dem Geiz der Reben selber: Auch die Weinstöcke haben ja vor allem darum gelernt, Geiztriebe mit Blüten und Früchten auszubilden, damit sie auch in Frostjahren ihr Überleben und Weiterleben sichern können (über die Ausbildung von Samen). Davon profitiert nun auch der Gärtner, der spät in der Vegetationsperiode doch noch einige Früchte geniessen kann.
Nochmals: Warum auch Geiztriebe wertvoll sind
Hier ist vielleicht ein kleiner Exkurs in die Physiologie, in das grundsätzliche Funktionieren der Weinrebe angebracht. Innerhalb des bereits fertigen Weinblatts wandelt die Rebe Wasser und Kohlendioxid unter Einwirkung des Sonnenlichts in organische Verbindungen, also Saccharose und Stärke um – die Fotosynthese. Saccharose als Grundlage für das Wachstum der Rebe transportiert sich die Pflanze selbst in ihre einzelnen Bestandteile hinein, also in Blätter, Ranken und Trauben. Die Stärke in den Blättern dient als Kurzzeitspeicher und kann als Energiereserve für gerade unterversorgte Pflanzenteile (hauptsächlich zugunsten der Grösse der Trauben und deren Aroma) über Nacht abgebaut werden. Insofern ist es wichtig, dass beim Weinreben schneiden auch Rücksicht auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des biochemischen Reaktors "Weinblatt" genommen werden wird. Und konkret zu den Geiztrieben: Auch sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Gesamtwachstum der Triebe, Blüten und Früchte der Weinrebe!
Also doch nicht ausgeizen?
Warum dem Gärtner die Geiztriebe doch nicht gefallen?
Was aber (neben dem geizigen Konkurrenzdenken) haben wir Gärtner gegen die Geiztriebe einzuwenden?
Sie treten ja vor allem im oberen Pflanzenteil, also in- und oberhalb der Laub Zone auf. Sie verdichten sich zu einem fast undurchdringlichen Dickicht und erreichen damit nicht selten eine Schattierung, ja Überwucherung der bereits fruchtenden unteren Rutenteile. Sie verdichten damit zwar die Laubwand, was am Spalier einer Südmauer oder für die Nutzung als Sichtschutz durchaus seine optischen Reize haben kann, erhöhen aber damit zugleich den Wasserbedarf und den Nährstoffbedarf der Pflanzen beträchtlich. Dazu kommt, dass so dichte Pflanzen am Morgen schlechter abtrocknen, die Blätter der Weinrebe bleiben im Spätsommer und Herbst nach Regen oder auch nach der nächtlichen Taubildung länger nass, was wiederum die Ansiedlung und Vermehrung von Pilzkrankheiten, unter anderem auch der gefürchteten Botrytis-Traubenfäule fördert.
Also Weinreben doch konsequent ausgeizen, auch wenn der Pflanze damit Energiepotential verloren geht?
Die fünf wichtigsten Tipps zum Ausgeizen der Weinreben
Die Vorteile und Nachteile der Geiztriebe für die Pflanze selber, aber auch für den Gärtner liegen damit auf der Hand. Daraus ergeben sich ganz natürlich die wichtigsten Tipps für die Ausführung dieser viel diskutierten Kulturarbeit:
- Erstens: Ausgeizen in der Traubenzone. Es soll vor allem innerhalb der Traubenzone entgeizt oder eben ausgegeizt werden, wobei immer noch die ersten zwei Blätter des Geiztriebs stehen gelassen werden. Dieses sind ja automatisch auch die ältesten Blätter, die auch zuerst die grösste Energieleistung haben. Man verhindert mit dem Entfernen der Geiztriebverlängerung das gegenseitige Schattieren der Blätter und das spätere Blühen und Fruchten der Geiztriebe.
- Zweitens: Pinzieren oberhalb der Traubenzone. Im Bereich oberhalb der Traubenzone beschränkt man sich dagegen lediglich auf ein leichtes Ausgipfeln oder Pinzieren der vorhandenen Geiztriebe und stutzt sie bestenfalls ein wenig.
- Drittens: Unfruchtbare Wasserschosse aus altem Holz entfernen. Werden Geiztriebe (oder Wasserschosse) gesichtet, die aus dem älteren Holz der Reben stammen und keine erkennbaren Blütenansätze aufweisen, sollten Sie diese in möglichst regelmässigen Zeitabständen rigoros entfernen. Auch hier gilt natürlich die Ausnahme eines Frostjahrs, wo man über solch späte Austriebe auch mal froh ist.
- Viertens: Im oberen Pflanzenbereich nur Pinzieren oder zurückschneiden. Das Ausgeizen der eigentlichen Traubenzone soll ab Mitte/Ende Juni mit Vorteil 2 bis 3 mal wiederholt werden. Das Ausgeizen er oberen Triebteile ist nicht ganz so wichtig. Hier reicht meist ein Pinzier-Durchgang Ende Juli oder im August. Vielfach werden dann die schon überhängenden Haupttriebe um ca. 20-30% zurückgeschnitten, damit sie mit ihrem Schattenwurf die Gefahr von Botrytis im Endspurt der Reife nicht zu stark erhöhen.
- Fünftens: Bei Frost ist alles anders! Das alles gilt natürlich nur in normalen Ertragsjahren ohne Frost. Nach einem Totalausfall durch Blütenfrost ist man natürlich über alle gesunden Triebe und vor allem auch über die späten Trauben, die sogenannten Geiztrauben, die an den Geiztrieben entstehen, mehr als nur froh. Mit ihrer Hilfe kann man im besten Fall trotz des Blütenfrosts 10 bis 30% eines normalen Ertrags erreichen. Dazu bedarf es aber unbedingt einer langen Vegetationsperiode mit einem sehr schönen Hebst. Und auch hier kann es dann spät im August oder sogar September noch sinnvoll sein, die allerspätesten Geiztrauben zu entfernen (und damit die Abreife der verbleibenden Trauben zu fördern) und im Bereich der reifenden Geiztrauben die Laubwand etwas auszulichten, um der Botrytis vorzubeugen.
Doppelnutzungs-Rebe
Sowieso ist ein gutes Wachstum auch eine Art Versicherung gegen Jahre mit Schädigungen der Pflanze durch Extrembedingungen oder Krankheiten/Schädlingen.
Auch ohne Extrembedingungen verlangt mein Garten den Reben einiges ab, sodass sie ohnehin schon weniger wachsen als beispielsweise im Rheintal.