Bei dem wunderbaren Wetter vor Ostern hab ich meine beiden Balkone mal richtig in Ordnung gebracht. Das heisst, ich hab alle Töpfe hervorgerückt, Dreck und Spinnweben weggeputzt und den Boden gründlich gefegt. Die Topfuntersätze mussten ausgewaschen, die Töpfe abgewischt werden. Das sind nun alles nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, aber solche Aktionen gehören gelegentlich mal eben auch zum Balkongärtnern.
Dann haben die Himalayabirke und die Obstbäumchen in den Kübeln frischen Kompost und eine Handvoll Hornspäne gekriegt. Bei den Balkonstauden und den drei Frauenschuh-Orchideen in den Kübeln habe ich die Erde gelockert und etwas Kompost dazu gegeben. Sie treiben nun alle gut aus, und es ist eine Freude, ihren beim Wachsen zuzuschauen. Ich habe noch einige zarte pastellfarbene Hornveilchen, Nelken und ein paar frische Küchenkräuter in die Lücken eingefügt. Narzissen sind vom letzten Frühling noch ganz viele da, die sich gut vermehrt haben. Und damit ist der Balkon dann auch schon komplett für die neue Saison.
Viel mehr mache ich gar nicht mehr, ausser die ganze Saison über regelmässig giessen und düngen natürlich. Aber ansonsten sitze ich oft einfach nur mit einer Tasse Kaffee auf dem Balkon, und sinniere so vor mich hin. Dabei ist mir eben durch den Kopf gegangen, dass ich vor lauter Ordnung nun gar kein Unkraut mehr auf dem Balkon habe, und das ist eigentlich auch schade. Ich weiss, man sagt nicht mehr Unkraut, man sagt Wildkräuter, aber wenn ich jäten gehe, dann rede ich meist eben doch von Unkraut. Also, es wäre vielleicht gut, jetzt noch etwas Wildkräuter zu säen. Ich hab nicht mal mehr von dem behaarten Schaumkraut (Cardamine Hirsuta), das sonst meist von den Baumschulen gratis mitgeliefert wird, und das als Salatbeigabe ganz gut schmeckt. Einzige eine Brennessel ist noch da, im grossen Waschzuber bei der Birke.
Die habe ich nicht gepflanzt. Vielleicht sind ihre Samen im Kot der Meisen hergereist, die sich letzten Sommer über meine Balkonerdbeeren hergemacht haben. Gut, es ist ein Geben und Nehmen. Die Brennessel hat mir schon einige Male aus der Patsche geholfen, wie ich rasch am Kochen war, und noch rasch was Grünes brauchte. Später im Sommer hab ich dann die Samenstände abgeschnitten, und sie in der Bratpfanne geröstet. Sehr lecker! Brennesseln wachsen ja fleissig nach, und ich konnte über Monate ernten. So besehen ist die Brennessel eine der ergiebigeren Pflanzen für den Küchenbalkon.
von 4028mdk09 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Nun hab ich mir aber gedacht, ich säe noch etwas zusätzliches Unkraut. Wobei sich dann herausgestellt hat, dass ich mich mit dem Namen getäuscht habe. Was mir nämlich vorschwebte, die kleine Samentüte ohne Bild aus England, auf der “Minutina erba stella” steht, das erwies sich bald als Hirschhornsalat – und war eben nicht die Vogelmiere, die ich eigentlich hatte in den Balkonkübeln aussäen wollen. Hirschhornsalat sieht auch lustig aus, aber in kulinarischer Hinsicht bin ich mit dem zähen, rauhblättrigen Wegerichgewächs trotz diverser Versuche nie richtig warm geworden. Die Engländer loben es als traditionelles italienisches Küchen- und Gewürzkraut und ziehen alle poetischen Register, um den Geschmack der hirschhornartig verzweigten Blätter zu beschreiben: “subtil wie eine süsse, nussige Mischung aus Petersilie, Spinat und Grünkohl.”
von Hedwig Storch (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Na dann. Mir jedenfalls schmeckt die zarte, leicht säuerlich-erfrischende Vogelmiere viel besser. Und gesund ist sie auch: eine kleine Handvoll Vogelmiere auf dem Butterbrot oder im Salat enthält den ganzen Tagesbedarf an Vitamin C eines Erwachsenen. Aber vor allem ist die gewöhnliche Vogelmiere (Stellaria media) mit ihren winzigen weissen Sternchenblüten ein hübscher Bodendecker, und da sie auch auf grösseren Beeten den Boden im Eiltempo zudeckt, ist sie vielen Leuten als Unkraut verhasst. Sie zu bekämpfen wäre aber ein Fehler. Denn der zarte grüne Teppich der Vogelmiere schützt die Böden vor Erosion und vor dem Austrocknen, und punkto Austrocknen kann man eben auch in den Kübeln auf dem Balkon von ihrem Schutz profitieren. Ein weiterer Vorteil: Das Kräutchen ist winterhart, und bietet dann auch etwas Frostschutz für die Wurzeln. Lustigerweise wächst die zarte Vogelmiere in kühlem, regnerischem Wetter gerade besonders gut. Aber vor allem ist die Vogelmiere äusserst dankbar als Küchenkräutchen, sie wächst rasch und problemlos nach. Falls ihr nicht irgendwo im Garten oder in einem Rebberg Vogelmieren findet, könnt ihr die Samen auch bei diversen Internetanbietern bestellen, oder sie im gut sortierten im Fachhandel kaufen. Das Kraut wird meist als grüne Zusatznahrung für Wellensittiche angeboten. Ich bin ja mal gespannt, ob unsere Balkonmeisen dann auch Freude an der Vogelmiere haben, und was sie uns bei ihren Besuchen sonst noch so an neuen Samen herbeibringen werden.