Die schwarze Liste der invasiven Pflanzen wächst, und in den hiesigen Gärten geht die Angst um, man könnte etwas "Falsches" pflanzen und einem der verpönten Ausländern aus Versehen Asyl gewähren. Die meisten sogenannten Neophyten sind aber völlig unproblematisch.
Neulich wollte ein ansonsten durchaus gescheiter und vernünftiger Mensch seinen japanischen Senf ausreissen, als ich ihm sagte, dass es japanischer Senf ist. Er hatte geglaubt, es handle sich um Federkohl, den er für eine einheimische Pflanze hielt. "Was, aus Japan! Dann ist das ja ein Neophyt!" Ich dachte erst, er mache einen Witz. Als ich realisierte, wie tief verunsichert er war, versuchte ich ihn aufzuklären, aber das war gar nicht so einfach, denn bei den ausländischen Pflanzen verstehen viele Leute inzwischen gar keinen Spass mehr. Dass der Federkohl ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammt, ging dann in der Diskussion ganz unter.
Auch die Freundin von mir, die entsetzt auf die riesige Colocasia (Taro) auf unserem Balkon zeigte, liess sich so leicht nicht beruhigen. Kein Wunder, ist die Colocasia heuer riesig, nach den beiden Hitzewellen. Die fühlt sich hier nun wirklich wie zu Hause in den asiatischen Tropen. Aber beim ersten Frost wird sie natürlich das Zeitliche segnen. Und auch der japanische Senf bedroht gewiss nicht unsere heimische Natur. Er sollte sowieso gegessen werden, bevor er blüht, weil die jungen Blätter besser schmecken.
Ueberhaupt ist es so – und das betonen sogar die Kollegen von der Pro Natura inzwischen bei jeder Gelegenheit – dass die meisten der an die 600 in der Schweiz gezählten Neophyten komplett unproblematisch sind und weiterhin guten Gewissens angebaut werden dürfen. Das Problem jedoch ist, dass eine generelle Angst vor fremden Pflanzen nun in den Köpfen der Hobbygärtner angekommen ist, und von dort wird sie so rasch wohl nicht wieder wegzudiskutieren sein.
Neulich kaufte ich eine harmlose kleine Glattblattaster (Aster novi-belgii), auf deren Topf stand: "Achtung, unkontrolliert kann diese Pflanze die Natur gefährden. Früchte und Samen entfernen. Schnittgut über Grünabfuhr oder Kehrichtabfuhr entsorgen." Dabei ist die aktualisierte Schwarze Liste vom August 2014, wo nun also auch die guten alten Astern aufgeführt sind, gesetzlich noch gar noch nicht in Kraft, es laufen diverse Einsprachen, und die Kantone müssen noch beschliessen, wann was wie umgesetzt wird. Aber die Warnschilder kleben jetzt schon auf den Töpfen, und die Verunsicherung wächst. Vielen Gartenfreunden ist auch der Unterschied zwischen der Schwarzen (verbotene Pflanzen) und der Watch-Liste (als problematisch eingestufte Pflanzen) nicht klar. Auf der Schwarzen Liste befinden sich ausserdem auch zu bekämpfende, aber nicht verbotene Arten wie die Syrische Seidenpflanze (Asclepias syriaca), die Hanfpalme oder der Kirschlorbeer, und sogar in Fachkreisen nehmen Verwirrung und Verärgerung über die unklare Situation überhand. Was tatsächlich noch legal im eigenen Garten oder auf dem Balkon angepflanzt werden darf, muss man im Einzelfall mühsam aufdröseln.
Aber eins sollten wir darob nicht vergessen: Der Grundstock unserer sogenannt einheimischen Flora ist nach der letzten Eiszeit eingewandert. Praktisch alle unsere Nutzpflanzen wurden irgendwann eingeschleppt, manche absichtlich, manche per Zufall. Nun ist es so, dass diejenigen, die bis und mit Kolumbus zu uns gefunden haben wie Tomaten und Kartoffeln, sozusagen eingebürgert wurden. Alle, die nachher kamen, können potentiell als Neophyten gebrandmarkt werden.
Aber aus gärtnerischer Sicht ist die Frage der Herkunft sowieso nicht entscheidend. Früher einmal waren die meisten heute als fremd geltenden Pflanzen sowieso schon hier gewesen, sogar Bambus hat es vor dem Tertiär in unseren Breitengraden geben, und manches, was nun verteufelt wird, findet sich als Beweis noch in Versteinerungen. Viel wichtiger ist die Frage, was eine Pflanze im Garten macht, was sie uns und den Insekten bringt und wie sie sich insgesamt verhält. Und da muss man eben auch sagen, dass einige sogenannt einheimische Pflanzen wie Brennessel, Brombeeren oder Haselsträucher sich genauso invasiv verhalten können. Nur regt sich darüber ausser den jätenden Gartenmenschen niemand auf.
Und dann kommt immer das Argument der Insekten. Ok, bei mir flattern auch ein paar seltene Wachtelweizentüpfelfalter über die Beete, und die können nun mal allein vom Wachtelweizen leben. Also lasse ich den selbstverständlich beim Jäten stehen.
Was ich punkto Insekten aber gerade jetzt auf den Herbst hin auch wieder mal gesagt haben möchte: Die meisten unserer sogenannt einheimischen Pflanzen blühen im Frühling und Frühsommer. Goldruten, Schmetterlingsflieder, Springkraut, Astern und viele andere der nun indexierten Pflanzen hat man seinerzeit genau darum als Nutzpflanzen in die Bauerngärten geholt, weil sie eben später blühen und den Bienen und Insekten in der zweiten Jahreshälfte Nahrung bieten. Da sie nun eine um die andere aus unseren Gärten verschwinden müssen, wird krampfhaft nach neuen Trachtpflanzen gesucht. Ein bisschen absurd ist das schon, wo man doch einfach das Verblühte wegschneiden und nicht im Hauskompst entsorgen könnte, wie das früher immer gemacht wurde. Und das Absurdeste daran scheint mir, dass das alles im Namen der Tradition und der biologischen Vielfalt geschieht. Müsste Vielfalt in einem intelligenten Garten nicht vielmehr bedeuten, dass die einen neben den anderen koexistieren dürfen? Die Insekten würden sich darüber freuen! Denn sie brauchen ein vielseitiges Nahrungsangebot während möglichst langer Zeit. Wenn wir nun im Namen des Naturschutzes aber auch die Tradition der Bauerngartenpflanzen über Bord werfen, schütten wir doch wahrlich das Kind mit dem Bade aus.
Die Schwarze und die Watch-Liste, die entsprechenden Verordnungen und diverses Material dazu findet sich auf der Webseite www.infoflora.ch
Und noch ein interessantes Buch zum Thema: Volkmar Weiss, "Die rote Pest aus grüner Sicht - Springkräuter, von Imkern geschätzt, von Naturschützern bekämpft", Leopold Stocker Verlag.
Astern