Gemäss BAFU müssen wir ab sofort einige ausländische erfolgreiche Pflanzen, z.B. die Schmetterlingsflieder (ja ja, sie nennen sie auch Invasive Neophyten) aus dem Verkauf nehmen und/oder mit einem Warnhinweis auf der Seite versehen. Auch wenn wir es wollten, wäre dies aktuell gar nicht möglich, da wir bis heute glaubten, dass es reicht, wenn wir Schweizern, Deutschen und Österreichern die gleichen Sortenbeschreibungen zumuten… Wir Schweizer haben’s halt wieder einmal erfunden ;-). Jedem Land seine eigenen Sortenbeschreibungen, jedem Land die Feinde und Gefahren, die es verdient! Handelt es sich am Ende gar um Alternative Wahrheiten?
Die Warnung müsste in Kurzfassung gemäss dem BAFU und dem Cercle Exotique, einer verwaltungseigenen Arbeitsgruppe mit fast schon gesetzgeberischer Macht, ungefähr folgendermassen lauten: "Diese Pflanze ist gefährlich, kann Ihre und unsere Sicherheit gefährden und die Umwelt angreifen." Oder so ähnlich.
Wir möchten es jetzt in diesem Brief etwas genauer wissen: Dürfen wir auch invasive Neophyten empfehlen, wenn wir nach Abwägung negativer und positiver Eigenschaften zu einem grundsätzlich positiven Urteil kommen? Oder dürfen wir nur veröffentlichen, was das BAFU selber in seiner unergründlichen Weisheit immer schon weiss? Wie ist das eigentlich mit der Meinungsfreiheit?
Eine Frage haben wir noch nicht gestellt, weil sie wohl Frau Hitzfelds Juristen überfordern würde: Das BAFU, da sind wir uns ganz sicher, möchte sicher in keiner Art und Weise in irgendeiner Form fremdenfeindlich erscheinen oder sein. Also müssten doch eigentlich auch einheimische Pflanzen mit eindeutig negativen und gefährlichen Eigenschaften mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden? Das würde dann wiederum auch uns in Argumentationsnöte bringen, weil wir dann plötzlich in der Situation wären, Ackerwinde und Herbstzeitlose beschützen zu müssen…
Aber lesen Sie den Brief und freuen Sie sich mit uns auf die Antwort des BAFU, und auf die Rückkehr der Schmetterlingsflieder in unseren Schweizer Shop!
EINSCHREIBEN
Bundesamt für Umwelt BAFU
Frau Bettina Hitzfeld
Worbentalstrasse 68
3063 Ittigen
Buchs den 8.7.2020
Sehr geehrte Frau Hitzfeld
Nachdem uns Ihr vorletztes Schreiben lange nach den von Ihnen gesetzten Fristen erreicht hat (aus Bern!), erreicht uns Ihr Schreiben vom 1. Juli nun in der Zeit, so dass wir auch gerne antworten. Wir veröffentlichen dieses Schreiben auch auf unserem online-Magazin, da wir unseren Kunden ja erklären müssen, warum wir in der Schweiz plötzlich bestimmte Pflanzen nicht mehr anbieten.
Wir staunen weiterhin, wie in Zeiten von Corona die Jagd auf fremde Pflanzen nicht stillsteht und wo überall Gefahren gewittert werden, wo wir vor allem Chancen sehen.
Damit wir uns nicht unnötig missverstehen, nehmen wir nachfolgend Stellung zu den Themen Ihrer Schreiben und der Schreiben der St. Galler ANJF Pflanzenpolizei, die uns sogar noch im Lockdown besuchen wollten.
1. Verbotene Pflanzen
2. Nachweis der Selbstkontrolle
3. Pflanzen mit Informationspflicht (Info auf Webseite oder auf Etikette oder Topfbinde)
4. Ausländische Anbieter und Webseiten
5. Bitte um Beantwortung der Fragen (im Brief fett und kursiv)
6. Bitte um eine rekursfähige Verfügung
1. Verbotene Pflanzen
Sie fordern uns auf, diverse Solidago-Hybriden mit kompaktem Wuchs und reduzierter oder gar nicht vorhandener Samenbildung sowie einen kompakten Staudenknöterich aus dem Sortiment zu nehmen. Wir halten dieses Staudenverbot für nicht gerechtfertigt, es wird auch in den umliegenden Ländern anders gehandhabt. Selbstverständlich halten wir uns grundsätzlich an die Gesetze, und damit auch an Vertriebsverbote (auch wenn sie nur auf Verordnungen, und nicht auf Gesetzen beruhen, was aber ein grundsätzliches Problem unserer Regulierungsdichte ist).Wir entschuldigen uns in aller Form dafür, dass 7 Pflanzen (in unserem Sortiment von fast 5000 Pflanzen) versehentlich auf unserer CH-Seite gerutscht sind. Dies wird wohl auch damit zusammenhängen, dass die Schweiz bei der Hetzjagd auf erfolgreiche fremde Einwanderungspflanzen hysterischer reagiert als unsere anderen Märkte in Deutschland, Österreich und England.
Sie machen uns des Weiteren darauf aufmerksam, dass wir allenfalls noch vorhandene Pflanzen "sachgerecht der Kehrichtverbrennung" zuzuführen hätten. Wir produzieren auf unserem Betrieb in Buchs aber keine Stauden und auch keine der unter Abschnitt 3 (siehe unten) mit einer Informationspflicht belegten Gehölzsorten. Wir beziehen sie von unserem Norddeutschen Betrieb in Bad Zwischenahn, wo die Freiheit der Pflanzen noch fast grenzenlos ist. Sollten Sie dennoch wieder einmal das dringende Bedürfnis verspüren, unseren Betrieb zu besuchen, so werden wir Sie gerne zu nahe gelegenen Beständen an Berufkraut, Goldruten und Buddleja auf SBB Gelände in der Verantwortung der öffentlichen Hand führen, die unsere Biosicherheit bedrohen.
Ansonsten sehen wir hier aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf. Die in Frage stehenden Pflanzen sind schon seit Monaten nicht mehr auf unserer Schweizer Seite.
2. Nachweis der Selbstkontrolle
Im Zentrum unserer Bestrebung als Pflanzenanbieter und als Züchter steht die Diversität. Dabei sind wir in der Schweiz wohl der mit Abstand grösste Züchter bei essbaren Pflanzen, bei Tomaten, Kartoffel, speziellen Gemüsearten, bei Apfel, Birne, Kirsche, Himbeere, Brombeere, Heidelbeere und vielen andere Beerenarten. Diversität ist in unserem Natur- und (Agri-)Kulturverständnis ein Wert an und für sich. Mehr Diversität heisst mehr Überlebenschancen – für die Pflanzen und für den Menschen. Die Pflanzen sind die Lebensgrundlage von uns Menschen.
Mit der gerade in der Schweiz überhandnehmenden Hetzjagd gegen erfolgreiche ausländische Pflanzen haben wir uns immer wieder intensiv auseinandergesetzt (siehe Beilage Dossier zum Pflanzenverbotsgesetz). Wir sind der Meinung, dass Pflanzenvertriebsverbote, aber auch die Vertriebsbeschränkungen mit einer Informationspflicht weitgehend unnötig und sogar kontraproduktiv sind:
- Zu viele Verbote verhindern und behindern die Bekämpfung von 3-4 wirklich gefährlichen oder mindestens sehr lästigem Pflanzen. Wir schaffen damit zwar eine Neophytenindustrie, aber die wirklichen Erfolge sind – vorsichtig ausgedrückt – äusserst bescheiden. Geld wird aber in Unsummen verbraucht.
- Ein Blick in die Geschichte der Pflanzenverfolgung zeigt, dass kaum irgendwelche Bekämpfungsmassnahmen erfolgreich waren und sind. Nicht selten verschwinden aber sogenannt invasive Pflanzen (und Tiere) lange nach der Verfolgungsjagd von selber. Dann müsste man sie wohl unter Schutz stellen…
- Es ist eine in unzähligen Studien bewiesene Tatsache, dass einwandernde fremde Pflanzen global, aber auch in einzelnen Ländern und Inselsituation die Biodiversität nicht etwa senken, sondern deutlich erhöhen, nicht selten um das Doppelte.
- Ebenso gibt es kaum bewiesene Fälle, in denen eine einwandernde Pflanze A eine einheimische Pflanze B wirklich verdrängt.
- Es gibt keine vernünftigen Gründe, warum ausländische fremde Pflanzen schlechter sein sollten als einheimische Pflanzen. Dies gilt insbesondere in einer Situation, in der sich die Umweltbedingungen schneller verändern als jemals in der Geschichte.
- Wir leben im Anthropozän, der Mensch verändert unser aller Umwelt in nie da gewesenem Tempo. Wir sind auf starke erfolgreiche Pflanzen angewiesen, die den neuen Bedingungen gewachsen sind.
- Koevolution funktioniert in sich so schnell verändernden Rahmenbedingungen nicht, dazu fehlt schlichtweg die Zeit; es braucht das Fitting neuer und alter Pflanzen, Tiere und Insekten in neuen und sich wandelnden Ökosystemen.
- Ökosysteme sind keine gemütlichen musealen Ruheorte, sondern dynamisch und laufend in Bewegung. Da gibt es gegebenenfalls – und selbstverständlich in übertragenem Sinne - auch Mord und Totschlag. Leben und Natur sind definitionsgemäss nicht ewig.
Wir wissen, dass wir hier im Vergleich mit dem Bundesamt für Umwelt eine ziemlich andere Meinung vertreten – immerhin gilt aber in unserem Land noch die Meinungsfreiheit. Es gibt auch unzählige Wissenschaftler, die invasive Neophyten grundsätzlich nicht etwa als eine Bedrohung, sondern als Teil einer möglichen Lösung sehen. Fred Pierce gibt in ‘Die neuen Wilden’ eine gute Übersicht über die einschlägige Literatur mit detaillierten Literaturhinweisen. Dabei ist das alles keine Glaubensfrage, sondern eher eine Frage der Vernunft. Es ist durchaus erlaubt, Pflanzen zu jäten. Wir wollen auch keineswegs Pflanzen verkaufen, die die Gärten unserer Kunden im Handstreich besetzen. Man sollte aber einwandernde oder auch eingeführte Pflanzen nicht verteufeln und nur in Ausnahmefällen verbieten – und schon gar nicht basierend auf Vorurteilen, welche jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren.
Bitte teilen Sie uns mit, ob diese Zusammenfassung und auch unser Dossier zu den Pflanzenverboten (siehe Beilage) als Nachweis für die Selbstkontrolle gilt und auch reicht. Als Züchter beurteilen wir laufend Pflanzen – auch auf ihre möglichen Risiken. Wir geben aber gerne zu, dass unser Hauptaugenmerk den Chancen gilt. Sobald wir dann nach einer Umprogrammierung der Webseite einzelne Pflanzen oder auch Pflanzengruppen wieder liveschalten, werden wir unsere Argumentation da darlegen.
3. Pflanzenbeurteilung
Gemäss Ihrem Schreiben müssen Inverkehrbringer der untenstehenden Pflanzen die Risiken ihrer zu verkaufenden Organismen vorgängig beurteilen. Ich zitiere: "Sie müssen für jede Pflanze zur begründeten Schlussfolgerung gelangen, dass keine Gefährdungen und Beeinträchtigungen zu erwarten sind. (…) Kommen Sie nach Durchführung der Risikobeurteilung zum Schluss, dass Sie die Pflanzen verkaufen können, so müssen Sie gemäss Art 5 Freisetzungsverordnung Abnehmer/innen entsprechend informieren." Ja, sehr geehrte Frau Hitzfeld, was ist jetzt, wenn wir zu ganz anderen als den von Ihnen erwarteten Schlussfolgerungen kommen? Dürfen wir die dann nicht publizieren? Müssen wir die von Ihnen bzw. vom Cercle Exotique vorentworfenen Warnhinweise drucken, wenn wir deren Inhalt nicht teilen und für unausgewogen halten?
Als pragmatische Lösung schlagen wir folgende Vorgehensweise vor:
Wir nehmen ab sofort alle von Ihnen monierten Pflanzen mit spezieller Informationspflicht in der Schweiz aus dem Verkauf. Wir müssen dies tun, weil wir für separate Sortenbeschreibung auf der Schweizer Seite unser System umprogrammieren müssen. Wir würden also folgenden Pflanzen zeitweise aus dem Verkauf nehmen:
- Sommerflieder
- Neubelgische Aster
- Kirschlorbeer
- Chinesische Hanfpalme
- Lupine
- Paulownie
- Robine
- Breitblättriges Pfeilkraut
- Kaukasus Fettkraut
- Schneebeere
Wir werden dann eine Lösung bauen, mit welcher wir für die Schweiz (denn nur hier gibt es diese Pflanzen-Jagd) spezielle Artikel anlegen können. Als Hinweise werden wir dann einerseits die Meinung des BAFU und des sogenannten Cercle Exotique veröffentlichen samt der dazugehörenden Warnung. Wir werden aber andererseits gegebenenfalls auch darauf hinweisen, wenn und warum wir diese Meinung bei den in Frage stehenden Pflanzen nicht teilen und auf weiterführende Artikel in unserem online-Gartenbuch hinweisen (in dem wir auch diesen Brief veröffentlichen).
Unsere Fragen:
- Ist diese Vorgehensweise so in Ordnung?
- Dürfen wir unsere eigene Meinung darlegen, wenn wir die Meinung des BAFU nicht teilen?
- Müssen wir neben der Mitteilung auf der Produktseite auch eine spezielle Etikette oder Binde mitliefern? Oder reicht die Produktseite, das ist ja der Moment, wo gekauft wird. Wir sind aktuell bestrebt, möglichst wenig Plastik zu verwenden, zusätzliche Etiketten und Binden sind nicht erwünscht.
4. Ausländische Webseiten
Neben ausländischen Pflanzen gibt es ja auch ausländische Webseiten, die Pflanzen verkaufen. Auf vielen dieser Seiten können auch problemlos Pflanzen für die Schweiz eingekauft werden.
Wie stellen Sie sicher, dass über diesen Weg nicht verbotene Pflanzen oder Pflanzen ohne Erfüllung der Informationspflicht in der Schweiz vertrieben werden?
Letztlich ist es ein legitimes Anliegen eines einheimischen Anbieters, hier mit gleich langen Spiessen ausgestattet zu sein.
5.Bitte um Antwort auf die Fragen
Wir bitten Sie höflich, die in diesem Brief gestellten Fragen zu beantworten. Wir haben sie oben fett und kursiv gekennzeichnet. Ihre Antworten helfen uns, Ihre Anforderungen zu erfüllen und – wie man so schön sagt – compliant zu sein.
6.Bitte um eine beschwerdefähige Verfügung
Wie oben dargestellt, sind wir über die Vertriebsverbote nicht glücklich, aber wir bestreiten sie nicht. Wir sind aber definitiv der Meinung, dass die Anforderungen zur Informationspflicht die Vorgabe der Verhältnismässigkeit weit überdehnen. Wir sollen mit aufwändigen Massnahmen Kunden vor Pflanzen warnen, die wir verkaufen? Und vor Pflanzen, die in der Natur endemisch vorhanden sind (und auch noch voraussehbar weiter vorhanden sein werden)? Wir bitten Sie deshalb in Bezug auf die Informationspflicht um eine beschwerdefähige Verfügung. Gerne können Sie in der Verfügung auch unsere Fragen beantworten – oder Sie machen das in einem separaten Schreiben.
Um sicherzustellen, dass wir das rechtliche Gehör vor dem Erlass einer Verfügung umfassend wahrnehmen konnten, bitten wir Sie, dass Sie uns die Verfügung zunächst als "Verfügungsentwurf" zukommen lassen, damit wir uns dazu äussern können. Es sollte auch im Interesse der Bundesverwaltung liegen, dass unsere Argumente in die Entscheidfindung einfliessen können.
Ich hoffe, wir sind uns mindestens darin einig, dass die Freiheit der Pflanzen und ihre Diversität die Grundlage unseres Lebens und unsere Freiheit sind.
Mit freundlichen Grüssen
Markus Kobelt
Lubera AG
Seid's narrisch?!