Unseren Kundendienst hat letztens Mal wieder ein ausgesprochen interessantes Foto eines besorgten Kunden erreicht. Interessant, weil es gleich zwei Schadbilder an einem Blatt zeigt. Die Sorge des Kunden, es handele sich hier um Feuerband, konnte zum Glück schnell entkräftigt werden, der Baum darf also weiterleben! Was aber sehen wir nun auf dem Foto genau?
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Birnengitterrost
Zum einen sehen wir orangefarbene Flecken, das ist Birnengitterrost. Der Erreger des Birnengitterrostes (Gymnosporangium sabinae) ist ein sogenannter wirtswechselnder Rostpilz. D.h. dass er für seinen Lebenszyklus zwei Wirtspflanzen benötigt: zunächst einen Wacholder, dann eine Birne. Beim Wacholder sind v.a. asiatische Formen wie z.B. der als Sedabaum bekannte Juniperus sabina oder auch Juniperus x media sowie die in den Gärten weit verbreiteten, zahlreichen Kulturformen (Kriech-, Säulenform etc.) betroffen. Beim heimischen Wacholder (Juniperus communis) hat der Pilz (bisher) keine Chance. Im Frühjahr bilden sich am Wacholder gallertartige Sporenlager, von denen aus die Sporen v.a. bei feuchtem Wetter freigesetzt werden – und so zum Nebenwirt, der Birne, gelangen. Im späten Frühjahr dann zeigen sich auf der Oberseite des Birnblattes kleine orangefarbene Verfärbungen. Im Laufe des Sommers vergrößern sich diese, bis dahingehend, dass bei extremem Befall die einzelnen Flecken ineinanderfliessen können. Später im Jahr folgt das zweite Stadium, diesmal auf der Blattunterseite, auf der sich warzenförmige Sporenlager bilden.
Wenn Birnengitterrost einige Flecken auf den Blättern Ihres Birnbaumes verursacht, dann ist das zunächt kein Grund für allzu große Besorgnis. Denn auch hierbei gilt wie so oft die Faustregel, dass der Baum 30 Prozent seiner Blattoberfläche einbüssen kann, ohne ernstzunehmende Schäden davon zu tragen. Letztlich gilt es, das Schadbild zu beobachten. Sollte es sich mit der Zeit und den Jahren nicht verschlimmern, muss meist gar nichts unternommen werden. Bedecken die Flecken deutlich mehr als 30% des Blattes und/oder wirft der Baum die Blätter frühzeitig ab, dann ist das aber ein deutliches Zeichen dafür, dass der Baum leidet.
Was soll man tun? Wichtig ist, sich den Wirtswechsel nochmals vor Augen zu halten. Im Grunde bedeutet dieser nämlich, dass man versuchen sollte, die Infektionskette zu unterbrechen. Wenn Sie selbst kranke Wacholder im Garten haben, fangen Sie dort an, schneiden Sie die erkrankten Stellen grosszügig aus. Im Zweifelsfall roden Sie den Wacholder, ersetzen ihn z.B. durch die heimische Form. Als Leitgedanke kann "Nicht der kranke Birnbaum muss gefällt werden, sondern der Wachholder!" dienen. In der Praxis ist das leichter gesagt als getan, denn die Sporen werden vom Wind bis zu 500m getragen, die Wacholder der Nachbarn dienen also ebenso als Infektionsquelle. Oft hilft hier "miteinander reden". Den meisten Gartenbesitzern und Hobbygärtnern sind nämlich gesunde Birnbäume (beim Nachbarn) lieber als (eigene) kranke Wacholderbüsche. Der Wirtswechsel hat auch sein Gutes, denn er ist es, der dem Birnbaum jedes Jahr im Herbst durch den Laubabwurf dazu verhilft, "seinen" Birnengitterrost auch wieder los zu werden (die Blätter können übrigens getrost im Herbst kompostiert werden). Der Wirtswechsel wiederum macht auch deutlich, dass es eigentlich kaum Sinn macht, den Birnbaum selbst zu behandeln, denn die Infektion stammt von "extern". Die Spritzung mit einem Fungizit hat demnach lediglich die Reduktion der Infektion für eine Saison zu Folge. In extremen Einzelfällen, bei absolut ungewöhnlich hohem Infestionsdruck, kann dies dennoch zur Rettung des Birnbaums führen. Sollte der Infektionsdruck so hoch sein, dass Sie keine Freude mehr an Ihrem Birnbaum haben, dann können Sie als Alternative noch Nashis pflanzen, die nämlich sind nahezu resistent gegen Birnengitterrrost.
Wie immer: Gesunde Pflanzen sind widerstandsfähiger als geschwächte; in dem Sinne kann z.B. eine Neudo®-Vital-Behandlung sicherlich kein Fehler sein. Als Gegenmassnahme aber ist sie ungeeignet!
Ein bisschen mehr zum Thema Birnengitterrost finden Sie z. B. bei der Bayerischen Landesansatlt für Landwirtschaft.
Birnblattsauger
Zum anderen sehen wir auf dem Bild schwarze Verfärbungen, die vom Birnblattsauger herrühren (Feuerbrand würde hingegen von der Blattaderung ausgehen, nicht vom Blattrand her kommen).
Birnblattsauger sind sehr kleine Tierchen, die man mit blossem Auge fast nicht sieht. Sie überwintern in der Rinde von Birnbäumen, werden im sehr zeitigen Frühjahr aktiv, wobei die kritische Phase v.a. im Mai liegt. Dann nämlich saugen die schlüpfenden Larven (der 2. Generation) an den Blättern, Blüten und Triebspitzen. Resultat sind zum einen starke Blattkräuselungen, zum anderen scheiden die Larven grosse Mengen an Honigtau aus, worauf sich wiederum Russtaupilze ansiedeln und Triebe und Früchte teils stark schwarz verfärben. Die schwarze Verfärbung der Blätter resultiert ausserdem auch direkt aus der Saugtätigkeit.
Die unmittelbare Bekämpfung des Birnblattsaugers konzentriert sich v. a. auf den Winter mittels geeigneter, ölhaltiger Mittel. Eine Insektizid-Spritzung Ende Mai Anfang Juni zielt vor allem auf die Eier der 2. Generation ab. Dazu aber sollte es im Hausgarten gar nicht erst kommen! Generell gilt, dass die Bekämpfung des Birnblattsaugers eher als schwierig einzustufen ist. Um so wichtiger also und effektiver, geeignete Nützlinge zu fördern! Dazu zählen vor allem Blumenwanzen, aber auch der – weithin in seiner Bedeutung unterschätzte – Ohrwurm. Hier reicht es meist, Nützlingen ein passendes Umfeld, ein geeignete "Zuhause" zu bieten. Das sind z.B. ganz einfach mit Holzwolle gefüllte Tontöpfe, die verkehrtherum in den Baum gehängt werden. Sehr anschaulich wird die Wirkung der Ohrwürmer im (PDF-)Artikel Der Birnblattsauger und ein in Vergessenheit geratener Gegenspieler (von Anja Lahusen, Heinrich Höhn und Simon Gasser; Agroscope) aufgezeigt.
Infos zum Thema Birnblattsauger finden sich auch auf der Seite des Kompetenzzentrums Obstbau-Bodensee. Ansatzpunkt und Zielrichtung ist hier – das liegt in der Sache der Natur – jedoch der professionelle Obstanbau.
Und last but not least: Markus hat dieses Jahr den Birnblattsauger auch in England auf der Chelsea Flower Show entdeckt und das Video Der Birnblattsauger sucht die Chelsea Flower Show heim über ihn gedreht.