Züchtung ist Zufall. Was ist denn die freie Rekombination der Gene, die beim Kreuzen zweier Elternteile vonstatten geht, anderes als ein Zufallsgenerator. Der Züchter wählt zwar die Pflanzeneltern aus, aber er weiss am Ende doch nicht so recht, was dabei raus kommt. Das bestimmt … eben der Zufall!
Nun werden zwar an den Instituten und Universitäten fleissig analytische Werkzeuge 'konstruiert', die es in einem frühen Stadium ermöglichen, auf der Basis des genetischen Fingerabdrucks schlechte, nicht interessante Pflanzenkinder auszusortieren. Am Ende aber sind es dann doch immer noch der Züchter, sein Auge und sein Gespür, die den RICHTIGEN Zu-Fall sehen, die Pflanze, die einmal eine Sorte werden könnte. Wer sich auf Statistiken und Daten verlässt, produziert nur seelenlosen Mainstream, die endlose Duplikation dessen, was es eigentlich schon gibt (zugegeben vielleicht ein bisschen besser).
Manchmal aber, da ist der Zufall der Züchtung noch zufälliger, als er eigentlich sein sollte. Manchmal findet man Pflanzenkinder, die es gar nicht geben sollte in dieser Kombination der Eigenschaften. Und manchmal – wie gerade heute – da führt mich der Zufall geradezu an der Nase herum.
Da ass ich mich heute durch eine Kreuzungspopulation Sierra x Rewena, Apfel um Apfel, um zu sehen, ob in dieser Kreuzung etwas Brauchbares, besser noch: etwas Überraschendes zu finden sei. Ich hatte Sierra mit Rewena gekreuzt, um zu überprüfen, wie sich die Feuerbrandresistenz von Rewena überträgt. Die diesbezüglichen Resultate waren nicht sehr überzeugend, aber wir pflanzten einen Teil der Sämlinge aus dieser Kreuzung doch auf dem Feld aus. Mein Eindruck gestern: Harte Arbeit, sich da durchzuessen, eine jener Kreuzungspopulationen, wo man sich nachher sagt, das hätte man sich auch sparen können, warum habe ich das nicht früher gewusst.
Aber halt, was ist denn das: Plötzlich ein kleiner dunkelroter, fast violetter Zierapfel in der Reihe, wunderschön oval, wie eine Pflaume oder Zwetschge geformt. Eine Farbe, eine Form, die ich bei Zieräpfeln so noch nicht gesehen habe.
Wie konnte das zustande kommen? Ist es möglich, dass es in der Kreuzung zweier grossfrüchtiger Tafelsorten plötzlich eine Rückmutation zu einem Wildapfel gibt? Das ist äusserst unwahrscheinlich. Natürlich gibt es manchmal kleinere Äpfel, aber zurück zum Wildapfel? Nein … Da erinnere ich mich an einen kleinfrüchtigen Wildapfel, eine Hängeform, intern Malus Pendulino genannt, der vor einigen Jahren just in jener Reihe stand, wo auch die Mutterbäume von Sierra standen, auf denen die Kreuzung durchgeführt wurde. Da hat uns also wohl eine emsige Biene genarrt, die unserem Befruchtungspinsel zuvorkam, die unsere Schutznetze, mit denen wir die Blüten vor Fremdbestäubung schützen, irgendwo durchbrach und ihre Pollen auf Sierra brachte.
Das Resultat: Ein schöner Zufall!
Ein Zufall, der vielleicht einmal die erste Zierapfelsorte von Lubera wird.