Kürzlich hatte ich ganz einfach genug. Mir platzte der Kragen. Was hatte mich so gereizt, dass ich alle Vorsicht hinter mir liess, und Klartext schrieb?
Um was es denn ging? Ach ja, um Urban Gardening, gegen das ja eigentlich niemand etwas haben kann. Und vielleicht ist das gerade das Problem: Niemand hat was dagegen, etwas politisch Korrekteres kann man sich gar nicht vorstellen, eigentlich ist auch noch Guerilla -Gardening politisch korrekt und wird nur allzu gerne vom Urban Gardening vereinnahmt.
Was hatte also meine Wut angefacht?
Na ja, Urban Gardening ist in. Und das funktioniert etwas so: Eine Stadt oder eine Gemeinde beschliesst, meist auf Antrag der Grünen oder der Sozialdemokraten, die alle guten Willens sind, dass mehr fürs Urban Gardening zu tun sei. Der Rat, die Stadtregierung stimmt zu, mit breiter Mehrheit, trotz Bedenken der bürgerlichen Partien wegen der Mittel. Jetzt muss ein Projekt her, die Stadtgärtnerei ist überfordert mit den bestehenden Aufgaben, da bieten sich unabhängige und spezialisierte Büros an. Diese planen ein Projekt (man hatte vorher ja schon die Politiker beim Antrag beraten …), die Mittel werden bewilligt … viel zu spät zwar, der Frühling ist schon da!
Und dann? Dann schreibt man an Baumschulen, an Pflanzenzüchter wie mich. Man hätte da ein nie gesehenes fantastisches Projekt. Andernach würde vor Neid erblassen. Es gehe jetzt z.B. nicht mehr nur um Essbare Pflanzen, sondern um Wohlfühlpflanzen. Gerne mit grünen Blättern und roten Blüten. Ob wir für den guten Zweck nicht Pflanzen spenden könnten, das sei eine gute Investition, wir könnten dann an Kongressen teilnehmen, PR machen, es gebe Links auf der Homepage etc. Alles, aber vor allem natürlich die Pflanzen gerne gratis, versteht sich von selbst.
Übrigens: Natürlich gehe es da nicht um altertümliche Schrebergärten, igitt, nein es handle sich um soziale Gemeinschaftsgärten, interkulturelle Begegnungsstätten. Gemeinsam würde man, geleitet vom Planungsbüro, zu neuen gärtnerischen Ufern aufbrechen. Und jetzt könne es endlich losgehen, das Geld sei gesprochen, Gott und den Stadtvätern sei Dank.
Nun, bei dieser letzten Anfrage platzte mir – wie gesagt – der Kragen, und ich schrieb folgendes zurück:
Sehr geehrte Frau B.
Besten Dank für die Anfrage. Eigentlich leben wir ja davon, Pflanzen zu verkaufen. Und immerhin zahlen wir ja auch Steuern. Da könnt es ja einem einfachen Geist wie mir in den Sinn kommen, dass so eine Stadt ja auch für Pflanzen und allenfalls andere Dienstleistungen bezahlen könnte. Ist das ganz falsch gedacht?
Wenn nun der Städtische Anzeiger darüber berichtet, dass Lubera gratis Pflanzen für das sinnreiche Projekt der Stadtväter gesponsert hat, ist das ja gut und schön, aber die Nachricht für die Endverbraucher ist: Das bekommt man ja auch gratis.
Urban gardening wird nur dann nachhaltig, wenn es auch ein Geschäft wird, wenn eine Echte Nachfrage auf echte Bedürfnisse trifft. Wenn Urban gardening nur der Wurmfortsatz stattlicher Volksberuhigung ist (Brot und Spiele hiess das bei den Römern, Sozialarbeiter und etwas Pflänzchen heisst das jetzt bei Stadtverwaltungen), dann hat das nicht wirklich Zukunft. Im Ernst: Wir bekommen in der letzten Zeit etwas gar viel solche Anfragen, und meiner Meinung nach sollte der Nutzen für uns noch etwas genauer beschrieben sein. Pflanzen zu verschenken ist leider definitiv kein nachhaltiges Geschäftsmodell.
Mit freundlichen Grüssen
Und nochmals in allem Ernst: Mit dem Urban Gardening geht etwas schief. Da funktioniert nur noch sehr wenig von unten nach oben, sondern da wird von oben nach unten fröhlichst geplant und verordnet. Und ein funktionierender Markt (Gärtner kaufen Pflanzen, um damit zu gärtnern) wird durch einen viel lukrativeren Sekundärmarkt überlagert, wo Planungsbüros und Berater einfachen Bürgern zeigen, wie Urban gardening geht.
PS: Die Redaktion stimmt da nicht in allen Teilen zu … und wenn Sie Ihre Meinung äussern möchten, nur zu, schreiben Sie einfach eine E-Mail. Wir werden dann wieder davon berichten ;-)