Die sogenannte Globalisierung ist viel älter, als wir meinen. Und sie ist auch nichts, gegen das wir etwas haben könnten. Weil kein Kraut, und auch keine Stachelbeeren Pflanze, dagegen gewachsen ist. Die Globalisierung trieb gleich zweimal ihr ebenso widersinniges wie unabwendbares Spiel mit der Stachelbeere. In unserem Gartenshop können Sie robuste Stachelbeeren kaufen und direkt loslegen.
Das erste Mal kam die europäische Stachelbeere noch mit dem Schrecken davon. Ihre amerikanischen Verwandten aber wurden fast ausgerottet. Und das kam so: Die Engländer hatten im 16. und 17. Jahrhundert die amerikanischen fünfnadligen Weymouth Kiefern (Pinus strobus) aus den USA nach England und Europa importiert und als wunderschönen und imposanten Park- und Nutzbaum etabliert. Aus Asien aber kam irgendwann auch der «White Pine Blister Rust» nach Europa, ein obligat wirtswechselnder Rostpilz, der just auf genau zwei Wirtspflanzen sein Unwesen treibt: Auf den fünfnadligen Kieferarten (Nebenwirt) und obligatorisch auch auf Johannisbeergewächsen (Hauptwirt), wie der schwarzen Johannisbeere und der Stachelbeere. In Europa fiel das anfänglich kaum auf, und eigentlich hatten die Europäer auch kein Problem damit, dass es mit den amerikanischen Kiefern manchmal Probleme gab. Aber dann gingen infizierte Kieferjungpflanzen und wohl auch schwarze Johannisbeeren oder Stachelbeeren den Weg zurück nach Nordamerika. Die Seuche begann sich zu etablieren, wahrscheinlich eher über die anfälligeren schwarzen Johannisbeeren als über die Stachelbeeren.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitete sie sich dann rasend schnell über das natürliche Verbreitungsgebiet der fünfnadligen Kiefer aus. In der Folge wurde der Anbau von Ribes-Arten per Bundesgesetz von 1916 bis 1967 strikt verboten. In einigen wenigen amerikanischen Bundesstaaten ist der Anbau bis heute noch eingeschränkt. In der Depressionszeit der 30er Jahre waren bis zu 10’000 Mann von Staates wegen damit beschäftigt, Ribes-Gewächse in den Gärten und vor allem in der Natur ausrotten – was glücklicherweise nicht ganz gelang, sonst hätten die Amerikaner gleich auch ihre einheimischen Ribes-Arten mit ausgerottet, unter anderem auch Ribes aureum. Seit einigen Jahrzehnten ist das Verbot nun gelockert, in den meisten Bundesstaaten auch ganz aufgehoben. Über die Ausrottung der Wirtspflanze war die Krankheit nicht zu bekämpfen, nach der ersten Durchseuchung stellte sich ein neues und natürliches Gleichgewicht her, man entdeckte auch gegen den Rost resistente Kieferbestände, und heute liegt die Sterblichkeit der Kiefern noch bei erträglichen 3 %. Dazu kommt, dass seit einigen Jahren auch andere Pflanzen als Zwischenwirte des Rosts verdächtigt werden und dass wohl nur einige Sorten der Schwarzen Johannisbeere extrem anfällig auf den Rost sind und deshalb als Vektoren in Betracht kommen.
– Es wäre zu begrüssen, wenn sich die Pflanzenschutzbehörden dieser Welt nach der Entdeckung einer neuen Globalisierungsseuche und vor der Ergreifung von Massnahmen zuerst diese Geschichte vor Augen führen würden. Man kann solche Phänomene nicht aufhalten, man kann nur lernen, damit zu leben. Wie gesagt kam die europäische Stachelbeere bei dieser Geschichte noch ziemlich glimpflich davon, sie blieb mindestens in Europa unbehelligt vor Ausrottungsversuchen. Leider scheint aber die Biologie nicht selten so etwas wie ausgleichende Ungerechtigkeit zu kennen. Der Geschichte des "White Pine Blister Rust" entgegengesetzt verlief der Import des amerikanischen Stachelbeermehltaus (Sphaerotheca mors-uvae) aus den USA nach Europa.
Noch 1913 meinte Louis Maurer selbstsicher, dieser Kelch würde am europäischen Stachelbeeranbau vorbeigehen: "Die Entwicklung dieses Pilzes scheint jedoch an ein heisses, trockenes Klima gebunden zu sein, so dass er bei uns seine Lebensbedingungen kaum finden dürfte."
Maurer irrte. Der amerikanische Stachelbeermehltau wurde schon 1905 zum ersten Mal in Irland festgestellt, war bald auch in England. Danach ging es zwar sehr langsam, aber stetig vorwärts. Seit den 1960er Jahren ist der amerikanische Stachelbeermehltau endemisch auf schwarzen (nicht resistenten) Johannisbeeren und seit den 70er Jahren ist in weiten Teilen Europas der Gartenanbau von alten Stachelbeersorten aufgrund des hohen Mehltaudrucks unmöglich geworden. Die Geschichte des "White Pine Bluster Rust" wiederholt sich auf unserer Seite des Atlantiks. Nur gibt es dieses Mal keinen bösen Zwischenwirt, der an allem schuld ist und den man ausrotten könnte.
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