Mittagessen und Mittagschlaf waren vorbei und ich wollte gerade zum Auto eilen, um den frischen Arbeitsbeginn in der Baumschule nicht zu verpassen, da stellte sich mir mein Nachbar in den Weg. Ein grosser Papiersack zwischen mir und ihm auf dem Boden. Und daraus zog er ein Apfelbaumästchen heraus. „Ich glaube, ich muss meinen Apfelbaum roden!“ flüsterte er, von Baumtodesahnungen bedrängt. „Siehst du, die Blätter rot wie Feuer, im Thurgau mussten sie deswegen die Bäume alle roden!“
Ich antwortete: „Kein Problem, ist die Apfelfaltenlaus, weit und breit kein Feuerbrand.“ Tatendurstig strahlte mich mein Nachbar an: „Und? Was kann ich dagegen spritzen?“ Ich: „Nichts, abwarten, wahrscheinlich haben die Nützlinge schon zugeschlagen und die Falten sind geleert, alle Läuse verspeist.“
Mein Nachbar gab nicht auf, kramte erneut in der Tasche: „Aber schau hier, diese Gespinste im gleichen Apfelbaum, und hier der weisse Belag?“ Ich wurde langsam unruhig, sah meine Baumschule schon ohne mich in den Nachmittag starten: „Auch hier würde ich nichts unternehmen! Vielleicht die mehltaubefallene Triebspitze rausbrechen. Aber auch die Gespinstmotten stellen kein wirkliches Problem dar – wenn sie nicht gerade auf jedem Ast anzutreffen sind. Der Baum wird da schon rauswachsen.“
Fast schon enttäuscht packte mein Nachbar die Beweismittel wieder zurück in die Papiertasche und machte mir den Weg zum Auto frei. Der Apfelbaum würde ihm erhalten bleiben. Das Nichtstun aber fiel dem Gartenfreund ganz offensichtlich immer noch sehr schwer.
Markus Kobelt
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