Man könnte es meinen. Jedenfalls versteht meine Frau beim Gärtnern überhaupt keinen Spass; und manchmal – sorry – kann man einige Meldungen, die uns aus Kundengärten erreichen, auch nur als humorfern bezeichnen. Oder denken Sie an epische Garten-Nachbarschaftsstreitereien, an Unkraut und Zaunkriege, an Abstands-Beckmessereien, ja gar an Gartengewalt wie nächtliche Pflanzenvergiftungsaktionen oder Ernteklau. Wo bitte bleiben da Humor und Selbstironie, wie lange bitteschön müssen wir auf das befreiende Lachen warten?
Genau so lange, bis fertig gegärtnert ist. Plötzlich gelingt es mir wieder, meine Frau zum Lachen zu bringen und unsere Kundenberaterinnen lösen die schlimmsten Kundenreklamationen (ja , auch wir machen Fehler, ganz selten zwar, aber dann richtig schlimme) nicht nur mit Service, sondern auch mit Humor. Ich erinnere mich an einen Fall, der Murphy´s law (Alles was schiefgehen kann, geht auch schief) leicht übererfüllen würde: Ein Kunde hatte Hopfen bestellt, wohl in der Hoffnung, bald schon sein eigenes Bier brauen zu können. Und er erhielt, sehr schnell und in bester Qualität: einen Rhabarber. Natürlich schickten wir ihm gleich nach der Reklamation, die noch ziemlich humorfrei war, eine Hopfenpflanze nach. Wissen Sie, was er in diesem Paket erhielt? Ja, genau: nochmals einen Rhabarber! Und da half es halt wirklich nicht mehr, zu erklären, dass die Notiz auf dem Lieferschein vom Rüstmitarbeiter missverstanden worden war und er punktgenau halt ganz einfach nochmals den vermaledeiten Rhabarber eingepackt hatte. Da half nur noch … Humor. Und witzigerweise nahm uns dieser Kunde gleich auch noch die Humorarbeit ab: Er erinnerte nämlich sarkastisch an die Sitten und Gebräuche in der ehemaligen DDR und meinte, solche Phänomene seien ja nicht ganz neu, auch in der DDR hätte man halt verkauft, was es gerade hatte … Eigentlich würde er das schon verstehen: Wenn halt keine Hopfen da sind, so doch wenigstens Rhabarber im Überfluss. Ganz logisch. Klar doch. Von einer schweren Last befreit, beeilten wir uns dann, dem Kunden mitzuteilen, dass damit die Problemursache definitiv geklärt sei: Der Sachbearbeiter stamme wirklich aus dem Ostteil Berlins und hätte aufgrund eines Missverständisses gemeint, die Hopfen seien absolute Bück- und Mangelware ;-)
(Ja, ich weiss, Humor sollte nicht auf Kosten anderer gehen. Aber das geht er halt häufig. Und als Entschuldigung können wir immerhin vorbringen, dass wir uns in einem Humornotstand befanden, und nach der ersten erreichbaren Pointe griffen wie Ertrinkende nach dem rettenden Ast.)
Dieser Gärtner hatte also ganz offensichtlich Humor, der in dem Masse grösser wurde, als das eigentliche Problem (Rhabarber statt Hopfen) hinter ihm lag. Das Problem selber war immer noch gleich gross, denn es vergingen über dem ganzen Hin-und-Her mindestens drei Wochen, bis er endlich glücklich einen Hopfen und überflüssigerweise mindestens zwei Rhabarber sein eigen nennen dufte. Aber die Problemlast hatte sich relativiert, war nach und nach kleiner, ja unwichtiger geworden, und Anlass zu manchen lustigen Geschichten und Anekdoten. Wer weiss, was der Kunde noch alles über diese Ossis in der Schweiz erzählte? Oder über die in der Schweiz verbreitete Hopfenblindheit, die immer nur Rhabarber sieht, wenn Hopfen in Frage stehen …
Es sind also nicht die Gärtner, die humorlos sind, es ist das Gärtnern. Insofern ist es auch eine grosse Ausnahme, wenn – ganz selten – lustig-leichte-humoristische Gärten gelingen. Auch Gärten haben – leider – die Tendenz, seriös, schön, perfekt, vernachlässigt, gross, klein, farbig und grün zu sein, aber eben nur ganz selten lustig und humorvoll.
Aber was macht denn das Gärtnern so humorlos? Da mir eine lustige Antwort dazu nicht einfällt, bleibt nur der Griff in die philosophische Mottenkiste. Marx und die entfremdete Arbeit. Erinnern Sie sich an den Geschichts- oder Philosophieunterricht, an Marx, und an den Begriff der entfremdeten Arbeit? Marxens Arbeiter ist seiner Arbeit entfremdet, er tritt ihr als fremdes Wesen entgegen, ihre Resultate gehören anderen. Gartenarbeit aber ist genau das Gegenteil davon: sie ist UN-entfremdete Arbeit. Die Arbeit ist mir direkt präsent, ICH schwitze, ICH ernte gegebenenfalls auch, aber ich habe auch den ganzen Stress der letztlich unkontrollierbaren Natur aushalten, die Schnecken zu bekämpfen, die Plagen abzuhalten, die Nachbarn glücklich zu halten und den Zeitpunkt der Ernte, die richtige Mondphase fürs Pflanzen nicht zu vergessen. Die Gartenarbeit – das ist durchaus Segen UND Fluch – besetzt mich total, da bleibt kein Freiraum, keine rettende Distanz, da bin ich mittendrin, da kann ich mir selber nicht zuschauen – und da gibt es folgerichtig auch keinen Humor. Es ist buchstäblich so und gilt auch für die humorvollsten Gärtnerinnen: Wenn Schnecken, Wespen oder andere Plagen die eigene Ernte fressen, da hört der Spass definitiv auf.
Wie schon gesagt: Der Humor kann genau dann beginnen, wenn das Gärtnern aufhört, wenn der Schweiss getrocknet, der Stress relativiert, die Plagen ausgestanden und die Ernte eingefahren ist (oder auch nicht). Der Gartenhumor beginnt dann, wenn das Reden übers Gärtnern beginnt.