Vor einigen Jahren besuchte ich den Brombeer- und Pfirsichzüchter John Clark in Arkansas. In der Versuchsstation in Clarksville schaltete John gleich auf Vorlesung um, als ein Gewitter die Arbeit auf dem Feld, in den Kulturen unterbrach. Er dozierte vor den mitarbeitenden Assistenten und Studenten, auch vor dem europäischen Gast … nein, eigentlich dozierte er eben nicht, sondern zeigte mit vielen Geschichten, historischen Reminiszenzen und mit Fruchtbeispielen die verschiedenen Spielformen des Pfirsichs auf: gelbfleischig und weissfleischig, mit schmelzendem Fruchtfleisch und mit knackigem Fruchtfleisch, mit lösendem Kern oder mit haftendem Stein, dann nochmals alle Varianten bei der Nektarine, zusätzlich die Spezialitäten wie flache Pfirsiche oder die Minipfirsiche, die wir auch in unserem Fruttoni-Sortiment führen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch nicht gewusst, dass es Pfirsiche mit ganz unscheinbaren Blüten (ich glaube er nannte das non-shiny), und solche mit grossen Blüten gibt und dass der Unterschied auf einem einzigen Gen beruht … Und der ganze improvisierte Vortrag (wir waren ja eigentlich auf der Versuchsstation und arbeiteten bis zum Gewitter auf dem Feld) war untermalt, nein eher unterfühlt mit Fruchtbeispielen. Nicht zum Anschauen, zum Essen und Genuss wurden uns die Pfirsiche gereicht!
Da wurde mir nicht nur bewusst, dass es auch pädagogisch und erzählerisch begabte Professoren gibt, mir war auch schlagartig klar, dass frisch und essreif geerntete Pfirsiche Welten besser sind als ihre Kollegen im Supermarkt. Das zeigt sich in den USA auch darin, dass ausser in den Kernanbaugebieten in Kalifornien und Florida Pfirsiche fast nur noch in Selbstpflückanlagen angebaut werden.
Und nun wollen wir es John nachtun, und selber in die Pfirsichzüchtung einsteigen? Sind denn die bis zu 100 neuen Pfirsichsorten, die weltweit pro Jahr auf den Markt kommen, nicht genug?
Blenden wir kurz zurück in die moderne Geschichte des Pfirsichs: Fast alle Pfirsiche, die wir in Europa anbauen, beruhen direkt oder indirekt auf amerikanischen Züchtungen, und die amerikanischen und europäischen Züchtungsprogramme befinden sich fast ausschliesslich in südlichen Gefilden, im mediterranen Raum oder in den südlichen Bundesstaten der USA von Kalifornien bis Florida. Und es geht noch weiter: Die aktuelle Pfirsichgenetik geht – von einigen späteren Importen aus China abgesehen – fast ausschliesslich auf eine Handvoll amerikanischer Sorten zurück, die wiederum aus den ersten Samenimporten der frühen Siedler und Konquistadoren gewonnen wurden.
Aus dieser Geschichte kann man meiner Meinung nach 3 Folgerungen ziehen:
- Die ‘schlechte Nachricht': Es überrascht nicht, wenn die meisten, wenn nicht alle aktuellen Sorten nicht wirklich für den Gartenanbau geeignet sind; sie sind für den Plantagenanbau und für den langen Transport optimiert, und sie wurden fast ausschliesslich in südlichen Klimaten selektioniert. Wir haben uns zwar im Lubera-Sortiment sehr viel Mühe gegeben, um weltweit die tolerantesten Pfirsichsorten zu finden, aber realistischerweise werden die meisten Pfirsichbäume in unserem Klima nur 5-10 Jahre alt - sie tragen allerdings - dies zum Trost für alle Gartenpfirsichanbauer - schon ab dem ersten Jahr Früchte!
- Die ‘guteNachricht': Wenn die genetische Basis der Pfirsiche und Nektarinen so schmal ist, überrascht es doch, welche züchterischen Fortschritte auf dieser Basis in den letzten 100 Jahren möglich waren und wie viele Varianten und Unterschiede diesem relativ einheitlichen Material abgewonnen werden konnte. Und genau das lässt uns hoffen, dass es möglich ist, Sorten zu züchten und zu selektionieren, die für die Gartenkultur und vor allem für unser Klima nördlich der Alpen besser geeignet sind. Toleranz gegen Frühjahrsfröste, Winterhärte des Holzes, späte Blüte, Toleranz gegen Kräuselkrankheit, Toleranz gegen Bakteriosen, feinste Qualität bei essreifer Pflücke, festes und doch leicht beissbares Fruchtfleisch mit ausgereiftem Aroma … das sind unsere fruchtigen Züchterträume. Und wir wetten sozusagen züchterisch darauf, dass die Selektion in unserem Klima für unser Klima den entscheidenden Unterschied ausmacht und dass das genetische Material auch die notwenige Variabilität anbieten wird.
- Wenn wir die Methoden der vergangenen und gegenwärtigen Züchtungsprogramme studieren und auswerten, kommen wir zum Schluss, dass wir letztlich genau die gleiche Strategie anwenden müssen: Wir startet mit ?outbreeding?, mit der Kreuzung möglichst unterschiedlicher und weit entfernter Sorten. Hier sind vor allem exotische Pfirsichvarianten und auch Sorten zu berücksichtigen, die auf späte chinesische Importe zurückgehen. Und später dann in nachfolgenden Kreuzungsgenerationen werden wir versuchen, über ?inbreeding?, über Selbstungen und über die Kreuzung ähnlicher und verwandter Selektionen das anvisierte Ziel noch genauere zu erreichen.
Langer Rede kurzer Sinn: Mit diesem Frühjahr und in diesen Tagen starten wir ganz neu ein Lubera Pfirsichzüchtungsprogramm. Im Bild sehen Sie die eingepackten Mutterbäume, die nun in geduldiger Handarbeit mit den gewünschten Vaterpollen bestäubt werden.
Wie lange das ganze Projekt dauern wird? Da Pfirsiche grundsätzlich eine relativ kurze juvenile Phase haben und schnell fruchten, ist es gut möglich, dass wir in 6-7 Jahren die ersten Resultate zeigen, vielleicht sogar die eine oder andere Sorte in die Vermarktung geben können. Mehr Erfolge sollte es dann nach zwei Kreuzungsgenerationen in ca. 12-15 Jahren geben.
Ja, bei Lubera denken wir da ziemlich langfristig. Ich werde dann jedenfalls pensioniert sein, hoffentlich im fruchtbaren Unruhestand.