Ernten und geniessen: Sabine Reber würdigt ein stiefmütterlich vernachlässigtes Gänsefussgemüse, das heuer ganz gut gedeiht.
Ich schreibe eine Kolumne über Spinat, das behaupte ich seit Wochen, ja, diesmal schreibe ich über Spinat und nichts als Spinat. Unverständnis allerseiten. Mit Spinat kann man niemanden beeindrucken. Kürbisse, ja, kiloschwere Tomaten oder die riesigen Pastinaken, die wir diesen Herbst ernten. Aber Spinat? Der handelsübliche Brei aus gefrorenen Würfeln ist dem Ruf des feinen Blattgemüses wenig zuträglich, und auch unter den Gemüsegartenfans habe ich noch nie jemanden ein ausdrückliches Loblied auf den Spinat singen hören. Will nicht recht bei mir, höre ich, braucht zu viel Platz, essen meine Kinder eh nicht, oder: mein Mann hasst Spinat.
Aber frischer Spinat aus dem Garten ist ein kulinarischer Höhepunkt, gerade jetzt im Herbst, wo das saftige Grün allenthalben zur Neige geht. Zum Kochen braucht man ganze Spinatberge, aber als Salat ist auch eine kleine Reihe recht ergiebig. Meine Grossmutter hat den Spinatsalat jeweils mit Apfelschnitzen versüsst. Ich mische die letzten Herbsthimbeeren in das Dressing, süssen Spinatsalat essen auch die Kinder gern.
Besonders liebe ich die Sorte Ballet. Ja, manchmal wähle ich Pflanzen nach dem Namen. Ob dieser Spinat so heisst, weil er viel Kraft gibt, ohne einen dick zu machen? Oder weil er so hübsch aussieht? Bei Spinat denkt man normalerweise sicher nicht "hübsch". Aber die Rosetten meines Ballet-Spinats wirken so elegant, als tanzten sie auf dem Beet mit ihren sattgrünen Tütüs.
Spinat mag kühl-feuchte Witterung, weswegen er am besten im Herbst oder ganz zeitig im Frühjahr angebaut wird. Bei heissen Temperaturen hingegen schiessen auch die sogenannt "schussresistenten" Sorten meist rasch auf. Sobald die Temperaturen steigen, hat der Spinat nur noch eines im Kopf, nämlich, sich möglichst rasch zu vermehren.
Ich habe noch nie von jemandem gehört, der Spinat auf dem Balkon zieht. Theoretisch wäre es sicher möglich, vorausgesetzt, die Gefässe sind gross und tief, und die Erde trocknet niemals aus. Spinat braucht lockeren, tiefgründigen, nährreichen Boden und genug Feuchtigkeit. Und es ist ein bisschen wie mit der Petersilie. Er gedeiht überhaupt nicht überall, eigentlich gedeiht er nur, wenn und wann er will. In einem schlechten Spinatjahr nützt alles gute Zureden nichts. Heuer hatte ich Glück. Der Spinat wollte. Nun gut, ich habe ihm auch eine ordentliche Portion Gartensegen mit auf den Weg gegeben. Gartensegen ist zwar nicht bio, aber für grosse Kürbisse, durchblühende Blumenbeete oder eben kräftigen Spinat greife ich dann doch gerne auf den altbewährten Dünger zurück.
Spinat tut übrigens auch dem Garten gut, er fördert das Wachstum anderer Gemüse. Auf den abgeernteten Beeten habe ich jetzt noch etwas Winterspinat angesät. Wenn das Wetter mitmacht, sollte er in milden Lagen auch Anfang Oktober noch eine Chance haben. Und ich freue mich bereits auf die ersten frischen Spinatblätter im Frühling.