Die Liliputisierung des Gartens schreitet unaufhaltsam voran. Gerade stellten wir am Plantarium in Boskoop (Holland) aus, auch da war es offensichtlich: Die Pflanzen müssen kleiner werden und werden auch immer kleiner, weil auch die Gärten kleiner werden.
Aber wenn es in dieser Dynamik weitergeht, greift irgendwann auch der Umkehrschluss, dann werden nämlich die Gärten kleiner, weil die Pflanzen kleiner werden … Natürlich machen auch wir in dieser Entwicklung mit, wir haben die Säulenbäume gezüchtet, die Lubera Malini®, die Miniapfelbäume, die Maloni® … wir freuen uns über jeden Balkon- und Terrassengärtner. Aktuell bereiten wir sogar eine Serie von Patiobeerenpflanzen vor, die ab nächstem Jahr auf den Markt kommen. Und jeder Kunde, dem wir die Musterpflanzen zeigen, ist hellauf begeistert.
Dennoch lohnt es sich, bei solchen Trends mal kurz innezuhalten, zu überlegen: Was läuft denn da eigentlich wirklich ab?
Gestern war ich in Südengland, in Kent, arbeitete auf den Züchtungsfeldern in East Malling und selektionierte … Liliput-Himbeeren. Nein, die werden nicht 70-90 cm hoch sein wie unsere aktuellen Patiosorten, die sind allerhöchstens 30cm hoch! Gerade so hoch wie mein Notizklemmbrett. Und ich war begeistert, denn hier werden wir wirklich einen Züchtungsdurchbruch schaffen. Aber jenseits des Liliput-Hypes ist die Frage ganz einfach: Wird es so viele Orte geben, wo diese Himbeerchen wachsen können, ohne dass man sich gefühlte 2 m zu ihnen bücken muss?
Und noch eine nachdenklich machende Geschichte: Fran, unsere PR-Mitarbeiterin in England, berichtete mir kürzlich, ein Journalist habe angefragt, ob eine bestimmte Fruttoni-Steinobstsorte, ein Minipfirsich, auch kleine Früchte gebe oder ob sie normal gross seien. Als sie stolz 'normal gross' vermeldete, habe er geantwortet, dann sei das nicht interessant, zu Baby-Bäumchen gehörten auch Baby-Früchtchen … also muss, in dieser Denkweise, um der Liliputästhetik willen, alles klein sein, auch gegen jeden gesunden Menschenverstand (der ja schliesslich auch Hunger hat).
Langer Geschichte kurzer Sinn: Wir müssen aufpassen, dass der Liliputisierungsdrang bei Pflanzen diese nicht zum Feigenblatt – äh Entschuldigung: Feigenblättchen – eines durchgegrillten, gepflasterten und technisierten Gartens werden lässt. Dass wir uns als Pflanzenliebhaber, als Pflanzenverwender, Pflanzenproduzenten und als Pflanzenzüchter nicht selber wegliliputisieren, ja genauso wie ich es an der letztjährigen Spoga Gafa auf dem WC entdeckte: Da fand Garten nämlich nur noch im umfunktionierten Waschbecken statt.