Es ist natürlich der Traum eines jeden Züchters, eine Pflanzenart, eine Obstart über den jeweiligen Kreuzungsgang hinaus, über mehrere Generationen neu zu formieren, neue Eigenschaften auf unbekannte Art und Weise zu kombinieren. Das braucht einen langen Atem, viel Geduld und Zeit – und klappt dann manchmal doch nicht. Oder anders als man dachte: Wenn ich in den letzten Jahren Redloves®, die rotfleischigen Apfelbäume, mit den Malini® zu kombinieren versuchte, ergaben sich nicht nur sehr kleine Populationen, sondern ich konnte mit gutem Gewissen keine Sorten daraus selektionieren. Wenn wir nun doch den ersten Redini® vorstellen könnten, so eben darum, weil es beim Züchten nicht selten anders kommt, als man denkt. Und weil der Züchter-Zufall einem manchmal ein Kuckucksei ins Nest legt, das man nicht übersehen sollte … aber lassen wir doch unseren ersten Redini einfach selbst zu Wort kommen:
Hi, mein Name sei Cuckoo!
Mein sogenannter «Züchter» ? Ja wenn ich das nur schon höre, da verfalle ich sofort in eine meiner Lieblings-Schimpftiraden. Die Züchter, die meinen doch, WER sie seien, und was sie alles können! Ich aber sage Euch: Die wissen und können nahezu nichts! Aber sie verfügen nun über ein ganzes Waffenarsenal aus Wörtern, um ihr Tun und Nichtstun zu beschreiben. Ha, neuerdings laufen sie manchmal sogar in weissen Kitteln durch die Obstanlagen und wollen uns ins Labor zwingen. Und was kommt da raus: Armselige Klone, leichte Abwandlungen von uns, nichts wirklich Neues, alles Kokolores, Mumpitz, alter Hafenkäse.
Da bin ich ganz anders, schlank, überraschend rot, ziemlich eigenwillig und auch ein bisschen schrill: Cuckoo!
Dem sogenannten «Züchter» , dem habe ich es aber gezeigt. Als er ausnahmsweise fleissig wie ein dummes Bienchen Pollen sammelte von Sierra, einer langweilig-breitastigen weissfleischigen Sorte, da schmuggelte ich mich mit einigen ebenfalls kleinen und schlanken Kolleginnen flugs ins Pollenglas und auf den Züchterpinsel. Und schnell besetzten wir die Stempel unserer Mutter, der edlen rotfleischigen Sorte Nr. 113/06, lange vor unseren breitarschigen und ziemlich degenerierten Mitpollen. Der vermaledeite Züchter aber, dieser Hundling, sortiert die meisten meiner Geschwister aus, sozusagen schon als Kleinkinder, weil nicht sein durfte, was nicht sein konnte. Aufgrund unseres edlen schlanken Wuchses sahen wir auf den ersten Züchterblick auch etwas mickriger aus als unsere mastigen Halbgeschwister – und wurden einfach so entsorgt. Da waren wir nur noch zwei, ich und meine Schwester gleich neben mir. «Unethisch» ist noch die harmloseste Beschreibung dieses unerhörten Vorgangs!»
Cuckoo atmet tief durch und reibt sich die Schweissperlen von der noch mehr erröteten Schale:
«Aber dann plötzlich, als wir schlank, rank und rot in der Obstanlage standen, wurde aus dem Züchtersaulus ein Paulus. Ein Glück, dass wir so nahe neben der Strasse standen, da konnte uns auch der ansonsten mit pomologischer Blindheit geschlagene «Züchter» nicht mehr übersehen. Plötzlich war ihm für uns nichts mehr zu viel, er schützt uns vor den räuberischen Spaziergängern, die uns Apfel für Apfel entkleideten. Einmal zwitscherte mir sogar ein Vögelchen, er habe Polizeischutz für uns angefordert?»
Cuckoo schweigt für ein kurzes Weilchen still, ganz still? um dann etwas nachdenklicher zu fragen:
«Muss ich ihm am Ende noch dankbar sein, dem sogenannten "Züchter"? Letztlich hat er mich mit seiner plötzlichen Fürsorge vor der Anonymität und Namenlosigkeit, vor der Fruchtlosigkeit bewahrt. Er hat mir die Chance gegeben, mein Wesen, meine Früchte zu zeigen, rund und dunkelrot, innen pink, saftig und spritzig. Und wie ich die Chance genutzt habe! Jedenfalls rief er gleich nach dem ersten Bissen aus: Hurrah, hier ist er, der erste Redini. Sorry, aber nicht ganz gebacken, so ein Freudenausbruch ganz allein unter Bäumen! Und er sprach ja auch nur aus, was ich immer schon wusste: ICH bin ICH.
Ey, aber dass er mir den Namen Kuckucksapfel aufdrücken wollte?
das liess ich ihm bei aller Dankbarkeit dann doch nicht durchgehen. Das war ja auch ein bisschen abschätzig gemeint. Fast so wie: «not
invented here», oder «nicht auf meinem Mist gewachsen» ?
Und so nenne ich mich nun, ja sie wissen schon, Cuckoo!
Der Name erinnert mich übrigens an die frechen Apfeldiebe, die mir alle Äpfelchen entrissen bis auf die allerletzten drei. Die sagten auch immer, schon nach dem ersten Biss: Kuck kuck».
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