Sabine Reber mag fast alles, was wächst und wuchert. Aber bei einigen Gewächsen ist sie dann doch vorsichtig.
Neulich hat mir an einer Lesung eine Dame ein Brieflein mit selbst gesammelten Samen zugesteckt, sie war ganz stolz darauf und überzeugt, etwas Gutes zu tun, sie wusste den Namen der Pflanze nicht, versicherte mir aber, die werde riesig, sie streckte ihre Hände zur Decke, so gross, und sie blühe wunderschön, fussballgrosse weisse Kugeln, sagte sie, und Blätter wie die Hände eines Riesen, ein spektakulärer Anblick. Ich bedankte mich artig, und wies sie drauf hin, dass sie solche Samen nicht in Umlauf bringen darf. Man sollte überhaupt gar nie Samen von Pflanzen in Umlauf bringen, deren Namen man nicht kennt. Das Brieflein nahm ich vorsorglich mit, und entsorgte es im Müll.
Im Allgemeinen braucht man keine Angst zu haben vor Pflanzen, und das meiste, was so munter daherwuchert und in den Himmel wächst, macht ja auch Spass. Drei Meter hohe Sonnenblumen zum Beispiel, Karden (Dipsacum fullonum) oder die silbergraue Eselsdistel (Onopordum acanthium), was für ein prächtiger Anblick! Oder die gigantische Becherpflanze (Silphium perfoliatum). Etwas vorsichtiger bin ich mit Topinambur, der gehört in eine abgelegene Gartenecke, und im Herbst grabe ich alle bis auf zwei, drei Knollen aus. Sie schmecken ja auch hervorragend. Das meiste, was mir in meinem Garten über den Kopf wächst, haue ich sowieso in die Pfanne. Zuoberst auf dem Speisezettel stehen: Giersch (Baumtropf), rote Melde, Borage. Alle drei koche ich wie Spinat, so ist dem Unkraut ganz gut beizukommen. Unkraut? Natürlich habe ich die Melde und den Borage selber ausgesät, und einige Pflanzen lasse ich auch jedes Jahr stehen, damit sie sich versamen. Ist halt alles eine Frage des Gleichgewichts. Und was zuviel ist, kommt eben in die Pfanne. Das gilt übrigens auch für Bambus, so er die Sperren durchbricht - was jeweils nur eine Frage der Zeit ist, irgendwann finden die Rhizome ein Schlupfloch. Frische Bambussprossen sind eine Delikatesse, bloss ist es ein Kraftakt, sie auszubuddeln.
Die sogenannten Neopyhten aber, die wuchern so stark, dass man sie keinesfalls freiwillig im Garten aussetzen sollte. Inzwischen stehen sie in vielen Gegenden auf dem Index, und müssen gemeldet werden. Zuoberst auf der Liste der verbotenen Pflanzen steht der japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica). Der ist zwar auch essbar, und richtig zubereitet sogar ganz lecker. Die Stängel werden wie Rhabarber zubereitet, sollten aber blanchiert und gewässert werden, weil sie viel Oxalsäure enthalten. Andere Neopythen hingegen scheinen für gar nichts gut zu sein, sie sind giftig, sie sind invasiv und verdrängen die einheimische Flora, und es gibt hierzulande keine Tiere, die sie fressen, weswegen sie sich umso stärker ausbreiten. Auf das Beifussblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) reagieren viele Leute allergisch. Und das Herkuleskraut, auch Riesen-Bärenklau genannt, (Heracleum mantegazzianum), von dem mir die gutmeinende Dame Samen geschenkt hatte, ist giftig und gefährlich, da sein Saft in Verbindung mit Sonnenlicht zu starken Verbrennungen führt. Bloss nicht ungeschützt mit dem Schnürchenmäher drauf losgehen, das gibt eine riesige Sauerei! Eine Freundin von mir hat das mal gemacht, in kurzen Hosen und T-Shirt, sie sah danach aus wie das Opfer eines Chemieunfalls, und es dauerte ewig, bis die Verbrennungen heilten. Geradezu harmlos ist dagegen das Drüsige Springkraut (Inula glandulifera), das sich zwar überall ausbreitet und einen zur Verzweiflung bringt. Aber wenigstens tut es niemandem weh.
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Seit Jahrhunderten werden Pflanzen aus abgelegenen Gebieten nach Europa gebracht. Mit der Globalisierung hat die Bedrohung der Biodiversität aber enorm zugenommen, und inzwischen führen biologische Invasionen weltweit zu verheerenden Umweltschäden. Wer gärtnert, trägt diesbezüglich Verantwortung, und sollte sich mit den problematischen Arten vertraut machen. In seinem neuen Bildband "Unheimliche Eroberer, Invasive Pflanzen und Tiere in Europa" bringt Herausgeber Wolfgang Nentwig auf den Punkt, was wir über Bärenklau, Goldruten, Robinien, Götterbäume und asiatische Marienkäfer wissen müssen (Haupt Verlag, Bern 2011). Pflichtlektüre für Gartenfans und Naturfreunde!