Resistente neue Sorte: Das lesen wir immer mal wieder in den Samenkatalogen, und es tönt natürlich gut. Aber Papier ist bekanntlich geduldig, und im Gartenalltag sollten wir schon mit Toleranz zufrieden sein. Das heisst, dass sogenannte “resistente” Sorten meist nicht wirklich immun sind gegen Viren, Pilze und andere Krankheiten, diese aber wesentlich besser tolerieren als herkömmliche Sorten, und bei einem Befall viel weniger Schaden nehmen. Und das ist eben schon mal nicht schlecht!
Manchmal haben diese neuen Züchtungen allerdings nicht so schöne, nostalgisch klingende Namen wie die alten Sorten. So heisst eine gut gegen Brennflecken und Bohnenmosaikvirus tolerante und auch sehr zarte und schmackhafte Buschbohne ‘Satelit’. Wie viel schöner tönt doch die traditionelle ‘Wachs Beste von allen’! Nur ist diese alte Tante extrem virusanfällig. Also lieber ‘Satelit’ aussäen, und sich den Ärger mit der historischen Sorte ersparen. Manchmal ist das Neue eben tatsächlich besser. Und da sich die Viren und Pilze kontinuierlich verändern und mit der Zeit den cleveren Züchtungen wieder ein Schnippchen schlagen, sind die Samenzüchter stets auf der Hut, und arbeiten an weiteren verbesserten Sorten. Das ist ein ständiger Wettlauf, der wichtig ist, weil durch die züchterische Arbeit die Sorten langfristig vital und gesund bleiben.
Aber auch unter den Tausenden von klassischen alten Gemüse-Sorten finden sich immer mal wieder solche, die aussergewöhnlich robust sind und Krankheiten mit Bravour tolerieren. Zum Beispiel die Gemüsepaprika ‘Californian Wonder’, die vor rund 100 Jahren in den USA gezüchtet wurde. Sie gilt bis heute weltweit als eine der besten offen bestäubten, nicht hybridisierten Peperonis. Nun wird die bewährte alte Sorte diesen Frühling bei Select neu aufgelegt. Ich bin gespannt auf ihre milden, dickwandigen Früchte, die an einem sonnigen, geschützten Standort schön von rot zu grün abreifen sollen.
Auch die Gewürzpaprika ‘Lemon Chili’ nimmt mich Wunder. Diese kleinen, würzig-scharfen Peperoncini reifen von grün zu zitronengelb ab. Ihr Aroma soll sehr scharf, aber nicht brennend sein. Und auch sie dürften sich im Biogarten bewähren: die Pflanzen gelten als sehr standfest und widerstandsfähig. Auch für den Stadtbalkon sind sie sicher einen Versuch wert. Sie werden gut einen halben Meter hoch und passen in einen 30er-Topf oder auch in ein Balkonkistchen. Im Gegensatz zu vielen speziellen Tomatensorten sind sie echt pflegeleicht. Überhaupt ist es meine Erfahrung, dass Chilis gerade auf dem Balkon im Allgemeinen viel weniger heikel sind als Tomaten. Auch wenn man nicht immer dazu schaut, gedeihen die kleinen scharfen Dinger meist ganz ordentlich.
Wer selber problemlose Tomaten säen will, versuche es mal mit ‘Tigrella’. Ihre Früchte werden so gross wie Ping-Pong-Bälle und sind hübsch rot-orange gesprenkelt. Ich mag die Sorte, weil sie wirklich robust ist und die Früchte süss und schmackhaft sind. Auf dem Balkon kommen sie in einem etwas grösseren Topf auch zurecht. Da es kein Hybrid ist, kann diese Sorte auch selber von Jahr zu Jahr wieder ausgesät werden.
Die eigenen Tomaten, ebenso wie die Peperonis und Chilis, sollten jetzt schon auf einem warmen, hellen Fenstersims gestartet werden. Dazu braucht man ein paar alte Joghurtbecher mit Löchern im Boden, eine Plastikschale mit Abzugslöchern oder etwas Aehnliches. Zusammen mit dem Samen wird auch gleich ein Sack Aussaaterde gekauft. Das lohnt sich, weil die frei von Krankheiten und Unkrautsamen und andern Störfaktoren ist, und wir doch auch unseren neuen, widerstandsfähigen Sorten einen möglichst guten Start gönnen wollen! Im Fachhandel gibt es ausserdem diverse Mini-Fenstersimsgewächshäuser. Man kann sich natürlich so eins anschaffen. Oder man stülpt abgeschnittene Petflaschen über die Joghurtbecher. Den Pflänzchen ist’s ja egal, ob sie in einem neuen Kasten oder unter Recyclingmaterial wachsen.
Ah, und wie ich jetzt nochmals durch den Katalog blättere, fällt mir noch eine andere interessante Neuheit auf: Die mexikanische Mini-Gurke ‘Olé’. Dies ist ein rankendes Kürbisgewächs (Zehneria scabra), das unzählige Minifrüchtchen bildet. Sie sehen wie gesprenkelte Oliven aus und schmecken leicht säuerlich-frisch nach Gurken. Die könnten sich bei uns als Sichtschutz auf dem Balkon noch gut machen. Ich werde mal davon auch gleich ein paar Samen starten. Wahnsinnig viele Pflanzen brauche ich ja jeweils nicht. Normalerweise reicht es mir, in einer Schale mit Aussaaterde ein halbes Dutzend Samen aufgehen zu lassen. Sobald sie die zweiten Blätter bilden, pikiere ich sie sorgfältig, und setze die zwei, drei stärksten Pflänzchen in einzelne Töpfe mit Gemüseerde. Für mehr als zwei, drei Pflänzchen pro Sorte habe ich nämlich schlicht keinen Platz. Und die überzähligen Samen, die verschenke ich jeweils, oder tausche mit gärtnernden Kolleginnen gegen andere alte oder neue Sorten, die sie irgendwo entdeckt haben.