Im Garten kommt ja alles immer wieder. Glücklicherweise. Und auch leider. Jetzt klagt Markus grade wieder über die Gerüche und Zumutungen, die ihn in der Brombeer- und Himbeerzüchtung erwarten. Immer wieder, so erzählt er greift er nach einer Frucht, gerade der schönsten und reifsten, die sich dann als ungeniessbar erweist, und die auch an Fingern und im Mund einen ganz unangenehmen, unbeschreiblich ekligen, süss-abartig-seifigen Geruch, ja Gestank hinterlasst. Die Duftmarke der Stinkwanze.
Hier der Bericht unser Englischübersetzerin, Toni Heyler, deren Kinder ebenfalls auf die Stinkbombe trafen:
“Vor ein paar Wochen war ich mit meinen beiden Jungen im Garten unserer Freunde, um Himbeeren für einen Kuchen zu pflücken. Genauer gesagt war ich die einzige, die gesammelt hatte, und die Jungs assen deren Beeren an Ort und Stelle. Nach etwa fünf Minuten schrie mein Dreijähriger: “Igitt! Ich mag diese Himbeere nicht!” Er wiederholte, dass diese Beere komisch schmecke, worauf mein sechs Jahre alter Sohn meinte: “Vielleicht war das wegen eines Stinkkäfers”.
Denn im vergangenen Jahr hatten wir in unserem Garten einen grünen Stinkkäfer auf unseren Himbeeren gefunden und ich erzählte, dass es diese zu meiner Kindheit ebenfalls gab und mir damals auch schon auffiel, dass dieser Käfer einen seltsamesn Geschmack auf den Himbeeren hinterlässt. Daraufhin wollten wir unbedingt nach weiteren Käfern suchen, und wenig später fanden wir auch schon einen auf einem jungen Himbeertrieb. Diesmal jedoch einen braunen. Und dann begannen die Kinder erst richtig mit den Fragen stellen: “Warum ist der eine Käfer braun und der andere grün? Warum lassen sie die Himbeeren schlecht schmecken?”
Nichts lag uns da natürlich näher, als unseren Hausbiologen Philipp Schneider um einen Bericht zu diesem widerlichen, aber natürlich auch interessanten Tierchen zu fragen …
Philipp: Obwohl sie im Englischen “stinkbugs” heissen, sind es doch keine Käfer (engl.: bugs), sondern Wanzen. Einer der wesentlichen Unterschiede sind die "Kiefer": Käfer haben beissend-kauende, Wanzen stechend-saugende Mundwerkzeuge. Wanzen tragen also eine Art Stechrüssel, mit dem sie sich von Flüssigkeiten ernähren - die grüne Stinkwanze (Palomena prasina) frisst ausschließlich pflanzlichen Flüssigkeiten.
Aber fangen wir von vorne an. Stinkwanzen gehören zu den Baumwanzen. Aus dem Ei geschlüpft entwickeln sie sich als Nymphe (so heißen die Jugendstadien) stufenweise bis sie ein etwa 1,3 cm langes und flugfähiges Imago (adultes Insekt) sind. Von Mai bis Juli platzieren die erwachsenen Tiere, die aus der Überwinterung erwacht sind, Gelege mit bis zu 100 Eiern. Die schlüpfenden Jungwanzen wachsen im Laufe des Sommers heran und werden erst im nächsten Jahr ihre Eier ablegen. Es gibt also nur eine Generation pro Jahr.
Die grüne Stinkwanze liebt lichte Wälder, Gebüsche, Streuobstwiesen und Gärten. Im Grunde ist sie dort gerne zu Hause, wo es Ihre Leibspeise gibt: grüne, saftige Pflanzenteile, aus denen vor allem die Nymphen Säfte saugen. Und auch dort, wo es Früchte gibt, denn die älteren Tiere lieben Fruchtsaft über alles, besonders Beerensäfte! Je weicher die Früchte sind, die es anzustechen und auszusaugen gilt, umso attraktiver! Da wundert es nur wenig, dass Markus besonders beim Himbeeren-Selektieren und Brombeeren-Naschen immer wieder auf Stinkwanzen trifft. So weiche und zarte Früchtlein, so süss und lecker. Egal ob gelbe oder rote Himbeeren, sie sind ein Stinkwanzen-Paradies. Welche Wanze (oder welches Menschenkind) kann da schon widerstehen? Angestochene Früchte werden durch den einfliessenden Wanzenspeichel leider ungeniessbar. Die Schäden, die durch die grüne Stinkwanze hervorgerufen werden, sind aber eher unbedeutend.
Und woher der Name dieses Insekts kommt, das ist Markus bestimmt schon zur Genüge olfaktorisch bewusst geworden. Denn Stinkwanzen besitzen seitlich an Ihrem Körper sog. Stinkdrüsen und bei Gefahr können sie damit einen ätzenden, chemischen Cocktail absondern, der wirklich übel riecht. Sogar die Nymphen besitzen bereits diesen Abwehrmechanismus gegen Fressfeinde wie etwa Vögel oder Kriechtiere. Uns Menschen macht das gewöhnlich nicht viel aus – ausser einer echten Geruchsbelästigung haben wir nicht viel zu befürchten. Die Ausnahmen von der Regel sind die wenigen Menschen, die auf Wanzensekrete allergisch reagieren.
Doch ganz so unmenschlich sind die kleinen Krabbler dann doch nicht. In den fünf Jugendstadien sind sie sehr anhänglich und suchen immer die Nähe ihrer Geschwister. Bei Gefahr löst sich die Gruppe durch ein Alarmpheromon dann schnell auf und jeder geht in Deckung. Ist die Gefahr vorüber, gibt das älteste, wohlgenährteste Jungtier die grössten Mengen eines “Kommt-zusammen”-Pheromons ab und so finden sich die Geschwister alsbald wieder um gemeinsam genüsslich Pflanzensaft zu saugen. Die Nymphen haben eine grüne Grundfarbe, genau wie die Erwachsenen. Aber wie wir Menschen auch, zieht sich die grüne Stinkwanze im Herbst andere Sachen an und verfärbt sich temperaturgesteuert und wird braun. Dies ist als Anpassung an die sich verändernde Umwelt (Verfärben der Blätter, Laubfall) zu werten. Erst im Frühling werden sie wieder in frischem Grün erstrahlen und uns mit ihren etwas unbeholfen wirkenden Flug- und Landemanövern erheitern.
Was man dagegen machen könnte
Die Schäden durch die grüne Stinkwanze sind wirtschaftlich nicht relevant. Wer einzelne, ungeniessbare Früchte vermeiden will, kann sich mit unterschiedlichen Maßnahmen Abhilfe verschaffen.
Gegenmaßnahmen im Hausgarten: Mein persönlicher Tipp ist ganz einfach, völlig biologisch: Die Wanzen können einfach absammelt werden. Wie ich schon geschrieben habe, fliegen sie schwerfällig und man kann sie in einem Glas mit Deckel sammeln und dann ein paar Kilometer entfernt wieder aussetzen. Zum Sammeln kann man sie entweder abklopfen oder Handschuhe anziehen. Keiner will ja nach Wanze stinken ? Sind Wanzen erst gar nicht in der Kultur erwünscht, empfehlen sich Schutznetze, die es im Fachhandel zu kaufen gibt. Aber damit sperrt man auch Nützlinge aus, z.B. auch Wanzen, die Blattläuse aussaugen.
Wer auf Chemie einfach nicht verzichten kann oder will, der kann zu Mitteln greifen, die Pyrethrine, Dimethoat oder Pyrethroide enthalten und gegen saugende Schädlinge wirken. Doch Vorsicht: Um die Früchte direkt zu schützen, müsste man den Wirkstoff zum Zeitpunkt der Fruchtreife einsetzen. Das kann ich aber wirklich nicht empfehlen! Wer jedes Jahr Probleme mit Stinkwanzen hat, könnte deutlich vor der Fruchtreife damit behandeln um den Befallsdruck zu mindern.
Genug Stinkwanzen jetzt? HMM, wer noch mehr und aus allererster Quelle wissen will, hier gibt’s den Link zu einem Interview mit der jungen Palomena prasina.