Die Einführung einer neuen Sorte bringt zwei Vorgehensweisen zusammen, die Neues schaffen. Da ist einmal das Vorstellungsvermögen, der Blick des Züchters, der Neues von langer Hand plant und sich doch immer auch von der Natur überraschen lässt; und da ist die Kommunikationsfähigkeit des Marketers, der das NEUE erst noch verkaufen muss. Und an der Schnittstelle der beiden Kreativitäten steht: Der neue Name, den das Produkt tragen wird, der Markenname, der die neue Pflanze so weit wie möglich tragen soll. Und das Überraschende: An diesem Schnittpunkt, am Zusammentreffen der beiden ziemlich unterschiedlichen kreativen Aufgaben findet ganz offensichtlich so etwas wie eine Explosion statt. Denn wenn ich es mir recht überlege, weiss ich im Nachhinein jeweils in Kürze nicht mehr, wie und über welche Überlegungen ein Name entstanden ist. Er beginnt zu leben, er wird gebraucht, er füllt sich mit Inhalt, er trägt (oder auch nicht).
Die Namensgebung der neuen Lubera-Züchtungen und -Selektionen findet bei uns jeweils im Spätherbst statt, als Vorbereitung auf den neuen Jahreskatalog. Manchmal, aber eher selten, weiss ich den Namen schon lange, meist aber wird er unter Druck geboren: der Katalog muss raus, die Redaktionen brauchen die Neuheiten, die Werbeagentur scharrt mit täglichen Emails.
In diesem Jahr gesucht: der Name für eine ganz neue Beerenart, mit verschiedenen ebenfalls neuen Sorten. Von Lubera über 5 Jahre getestet, ausgelesen und nun für eine breite Markteinführung vermehrt. Es fehlt nur noch … ein guter Name, der Name der Beere.
Natürlich könnten wir nun den botanischen Namen reaktivieren, aber wer interessiert sich wirklich für botanische Namen, wem sagen sie noch etwas? Oder wir könnten den Namen wählen, der im Heimatland dieser Pflanze vergeben wurde, der aber in diesem Fall einerseits platt, aber auch teilweise irreführend ist … Und natürlich wollen wir unsere Innovation, unsere jahrelange Arbeit auch schützen, und dazu gehört ein eigener, ein guter, ein sprechender Name, ein Name, der sofort auf eigenen Füssen steht und zu laufen beginnt.
Das aber ging zunächst bei dieser Beere gründlich in die Hose – und ins Geld. Wir meldeten nämlich nicht weniger als vier Namen zum Markenschutz an, die prompt vom Patentamt für nicht zulässig erklärt wurden. Wir hatten nämlich zu wenig gut recherchiert; da gab es schon eine andere, ziemlich abseitige Pflanze, die den gewählten Namen trägt. Pech gehabt, auch etwas unvorsichtig und dumm gewesen – und Geld dafür bezahlt.
Also auf ein Neues! Was für Farben zeichnen die Beere aus? Reift sie nicht zu einer Zeit, in der es ansonsten keine Beeren gibt? Haben sie nicht einen speziellen, fast süchtig machenden süss-sauren Geschmack, mit einem ganz leicht astringierenden Abgang, der an die Brause-Leckereien der Kindheit erinnert? Und was ist mit den gesundheitsfördernden Eigenschaften, wären die nicht ebenfalls Grund genug für einen Namen?
Plötzlich aber sah ich den Punkt, auf den es ankam. Ich sah nämlich die Pünktchen, die die johannisbeergrossen Beeren überziehen. Und es war klar: Lubera® Pünktchen® sollten sie pars pro toto heissen, oder auch Pünktchenbeeren! Und dann wieder eine Katastrophe. Ich, der ich sonst ziemlich beredt bin, ich scheiterte an der Aussprache, ich stolperte fast jedes Mal über den Namen: Pünkt////chenbeere. Oh nein! Irgendwie versagt da der schweizerische Mundmechanismus – und meine deutschen Kollegen behelfen sich auch nur mit einem aussprachetechnischen Trick: Pünktschenbeere geht nämlich etwas besser …
Die Idee ist aber trotzdem gut, die Verkleinerungsform wirkt sympathisch und – nach einigem Nachdenken – auch einigermassen witzig: Was könnte denn noch kleiner sein als ein Punkt? Und vielleicht, ja vielleicht ist das ‚Pünktchen‘ eben deshalb kaum aussprechbar, weil es eigentlich nicht existiert, denn im Grunde ist ja ein Punkt schon klein genug …
Bevor wir uns weiter in der Geometrie des Punktes verlieren, hier doch noch das vorläufige Happy End der Geschichte: Ein internationaler, auch ein besser aussprechbarer Name musste her, der vielleicht vom Pünktchen weiter begleitet werden könnte, der leichter auszusprechen wäre, aber der doch möglichst nahe beim Pünktchen, das eigentlich ein Punkt ist, bliebe. Und da war, die Irrwege unseres Gehirns sind unerfindlich, plötzlich der Grand Prix Eurovision de la Chanson. Un Point. Deux Points! Und im vereinigten Königreich (Royaume-uni) heisst es fast deckungsgleich: one point, three points. Damit hatte ich den Nagel auf den Kopf … äh auf den Punkt getroffen, etwas pseudobotanische Phantasie kam noch dazu, und die neue Beerenart war geboren: Pointilla®.
PS: Das eigentliche Happy end aber, das schreiben Sie. Spätestens nachdem die Pointilla®, die Lubera Pünktchen®, ab Juni 2014 auf dem Markt sind.