Ah Bäume, der Mensch braucht einfach Bäume! Wo auch immer ich lebe, ich habe Bäume gekauft. Auch wenn ich dafür keinen Platz hatte. Ohne Bäume fühle ich mich entwurzelt. Und nun lebe ich wieder in einer Wohnung ohne Garten. Mit einem schmalen Balkon an der Nordseite. Ganz klar, da müssen Bäume her! Noch bevor ich das wirklich geplant hatte, war die fixe Idee schon im Kopf, ich hatte mich praktisch vor meinem inneren Auge verliebt. Himalayabirken mussten es sein, Schneebirken! Im Winter ist es bei mir immer heikel mit den Himalayabirken. Wie ihre Stämme schimmern im fahlen Licht, ich würde sagen, von der Farbe eines Einhorns, wenn man mich machen liesse, ich pflanzte ganze Birkenwälder! Das Weiss ihrer Stämme wirkt so lebendig und transluzid, man streicht schüchtern mit dem Finger drüber. Aber die Farbe bleibt. Oh und die Textur! Birkenrinde streicheln, das ist vom Taktilen her etwas, das kein Mensch missen sollte. Und dann zupft man zart an den sich abrollenden Rindenfetzen, und natürlich zupfe ich sie irgendwann alle weg. Dann poliere ich den nun ganz weissen Stamm sogar noch sanft mit einem Lappen, weil sich stellenweise ein wenig Moos gebildet hat. Nicht, dass ihr jetzt alle rausgehen und eure Birkenstämme polieren müsst! Aber falls man ein besonders schönes Exemplar vor der Nase hat, und nicht widerstehen kann, ist es auch nicht weiter schlimm, sie sanft und liebevoll ein bisschen zu putzen. Man macht das ja dann eher für sich selber als für den Baum, nicht wahr.
Das Problem mit den Himalayabirken ist natürlich, dass das eigentlich mittelgrosse Bäume sind. Sie können in freier Wildbahn bzw. im Garten draussen gut und gerne acht bis zehn Meter erreichen. Die Stämme werden bei Betula utilis var jacquemontii ?Doorenbos? zwar schon früher weiss als bei anderen Birken. Aber dennoch sind sie natürlich schon einige Jahre alt und entsprechend gross, bis die Stämme ordentlich was hermachen.
So also ist es gekommen, dass nun zwei recht stattliche Jacquemont-Birken bei uns auf dem Balkon stehen, kunstvoll auf zwei Meter fünfzig zurechtgestutzt, damit sie nicht oben rausgucken. Ich habe sie leicht schräg in die Kübel gepflanzt, das sieht neckisch aus, als wollten sie von selber aus dem begrenzten Raum herauswachsen. Was sie ja dann im Frühling sowieso tun werden. Falls sich jemand beschwert, kann ich sie immer noch stärker zurückschneiden. Birken kann man zum Glück gut schneiden. Ich werde versuchen, sie einige Jahre möglichst kompakt zu halten, als grössere Kübel-Bonsais sozusagen, und sie auch nicht zu viel düngen, nur gerade so viel wie nötig, damit sie zwar wachsen, aber eben langsam. Bäume sind ja im Allgemeinen auch nicht blöd. Die wissen sehr wohl, wo sie stehen. Im Topf auf dem Balkon gehalten kapieren sie, dass es keinen Sinn macht, da nun gleich zehn Meter in alle Richtungen loszuschiessen. Und wenn sie dann mit den Jahren halt doch zu gross werden, findet sich bestimmt draussen irgendwo ein gutes Plätzchen. Das sehen wir dann, wenn die Zeit gekommen ist.
Viele Leute denken bei Bäumen ja immer gleich an die Ewigkeit. Aber wer nur einen Balkon hat, muss doch deswegen nicht auf die Freude an einem Baum verzichten! Bäume sind viel zu interessant, und Bäume kaufen macht auch viel zu viel Freude, um das nicht zu tun, nur weil man eben zufälligerweise gerade mal keinen Garten hat! Dann sollte man sich erst recht ein kleines Stück Wald gönnen! Die Birken auf unserer schmalen nordseitigen Terrasse habe ich dann noch mit einer eichenblättrigen Hortensie, plus einer weissblühenden Waldrebe und einem stattlichen Efeu bestückt, das alles unterpflanzt mit vielen, vielen Lenzrosen und Primeln, mit verschiedenen Gräsen und Seggen und Moos dazwischen. Schattige Balkone sind im Fall wirklich cool, auch wenn mir das niemand glauben will. Aber da kann man tatsächlich ein richtiges kleines Wäldchen anlegen. Jawohl. Es braucht einfach viele, viele Töpfe. Und etwas Vorstellungskraft. Ein Miniaturwäldchen in der Stadt. Genau das ist der Plan. Und nun bin ich gespannt, wie es sich entwickelt!
p.s. Übrigens wäre eventuell auch zu überlegen, ob sich junge Bäume ausleihen oder mieten liessen für eine Saison oder zwei. Das müsste man im Einzelfall mit der Baumschule abklären.