Mein Garten liegt mitten in der Stadt auf dem Dach. Anfangs, vor über 20 Jahren, gab es drei Töpfe, heute sind es im Sommer weit über hundertfünfzig. Urlaubserinnerungen, Heimatpflanzen, Geschenke von Freunden, Gekauftes, Gesätes, selbst Vermehrtes und von alleine Aufgegangenes wächst neben und miteinander. Natürlich greift die gärtnernde Hand gelegentlich ein, hegt und pflegt, schneidet und rupft, aber Ordnung wäre jetzt nicht das erste Wort, was einem zu meinem Dachgarten einfällt, es ist eher das fast natürliche Miteinander und gelebte Biodiversität. Zu den selbstgezogenen Bäumen gehören – Buchen, Ginkgo, Eiche - zu den Zugeflogenen Birken, Ahorne, Buddleya oder von den Eichhörnchen (was für eine niedliche Pest!) gepflanzte Nussbäume und ein Haselnussstrauch. Im Laufe der Jahre sind viele Zierpflanzen, Zwiebelblumen, Stauden, Gräser und natürlich unzählige Kräuter und etwas Gemüse wie Salat, Radieschen und Tomaten hinzugekommen. Speziell an meinem Garten ist, dass sich viele Pflanzen von alleine zusammen gefunden haben und offenbar gemeinsam leben wollen. Es ist wie im richtigen Leben. Mein Lieblingspaar ist ein geschnittener Buchs aus dessen Mitte seit Jahren ein Farn wächst, dessen Wedel ich über den Buchs hinaus wachsen lasse. Im Winter ist der Buchs einer wie alle, aber in der warmen Jahreszeit sieht es aus, als hätte mein Kugelbuchsbaum Flügel …
Insgesamt versammle ich weit über 100 Arten, und in manchem Jahr mache ich mir wirklich die Mühe einer Art Inventur der Pflanzen. Mit den meisten verbindet mich eine lange Geschichte.
Es gibt keinen schöneren Ort, um mich nach der Arbeit zu erden, beim Tun, aber auch beim Lassen. Es gibt dort viel zu entdecken, einen Molch im Seerosenzuber - keine Ahnung, wie der dort hinein gekommen sein kann. Eine Babylibelle, die mit der Lupe aussieht als wäre sie auf dem Weg in einen Fantasyfilm, Marienkäfer, die mir die Pflanzen lausfrei halten, fette Hummeln, Schmetterlinge und dem Himmel sei Dank, keine Schnecken an den Erdbeeren. Abgesehen von den Kräutern, mit denen ich den Bedarf meines Haushaltes im Sommer völlig decke, ist das Gemüse eher zum Naschen da. Aber auch das macht Spaß.
Mein Dachgarten ist ein richtiges Draußenzimmer mit Platz zum Sitzen und Liegen und für mich und meine Freunde der beste warme Sommerabendplatz, den es geben kann. Deswegen fahre ich auch selten im Sommer in den Urlaub, nicht nur, weil es Zuhause schön ist, sondern auch, weil es doch auch verdammt viel Zeit kostet, alles am Leben zu erhalten. Mit fünf Minuten Gießen ist es nicht getan. Wenn ich unterwegs bin, dann braucht es einen guten Freund mit der Lizenz zum Gießen, d.h. mit dem richtigen Gespür für meine Pflanzengesellschaft. Die Lavendel und die Gräser brauchen eben weniger als andere. Ein Topfgarten verzeiht eine Vernachlässigung nur schwer, Pflanzen im Boden sind da weniger anspruchsvoll. Das ist im Übrigen auch ein Winterthema. Nicht alle können arge Fröste gut aushalten, die hat es in diesem Winter bis jetzt noch nicht gegeben.