Wie auch bei anderen Pflanzen, z.B. Himbeeren, scheint die Kleinheit, der kompakte, aber buschige Zwergwuchs der Maloni®-Apfelbäume und jetzt auch von Gullivers über Selbstung zu entstehen.
Obwohl alle Äpfel grundsätzlich selbstunfruchtbar sind, gibt es immer wieder einzelne Selbstungen. Irgendwie kann der eigene Pollen dann doch die Blüte befruchten, die Selbstbefruchtungssperre, das «eingebaute» Inzestverbot für Pflanzen wird durchbrochen. Und da werden dann rezessiv verankerte Eigenschaften (die sonst nicht sichtbar werden, sozusagen vor sich hinschlummern und auch nie Einfluss nehmen) plötzlich sichtbar (weil sie sich homozygot verdoppeln): unter anderem eben diese Zwergwüchsigkeit. Bei den Himbeeren ist das wissenschaftlich gezeigt worden, beim Apfel ist es eine Vermutung, die sich bei mir immer mehr verfestigt hat: Die ersten Maloni®- Apfelbäume, ca. 50 % so stark wachsend wie ein normaler Apfelbaum, stammen ja eigentlich aus einer Kreuzung von Resi x Delbard Jubile. Aber erst vor einiger Zeit ist mir aufgefallen, dass in diesen Sämlingen, auch in den ausgelesenen Sorten Maloni® Sally und Maloni® Lilly der vermutete Vater, Delbard Jubilé, nirgends zu sehen, zu finden ist: Man sieht nur die Mutter Resi (und Abwandlungen davon). (Im wirklichen Leben wäre da mal ein Vaterschaftstest nötig!) Wahrscheinlich also gab es da gar keine Kreuzung, sondern «nur» eine Selbstung: Resi x Resi.
Wir haben dann später wieder Samen von Sally ausgesät – und auch darin wieder neue kompakte Sämlinge, mit noch schönerem und teilweise noch kompakterem Wuchs als Sally und Lilly gefunden, unter anderem eben Gulliver’s®. Wie könnte man sich das erklären? Ja entweder sind auch das wieder Selbstungen (Sally x Sally), oder es sind Kreuzungen zwischen den genetisch gleich gelagerten Geschwistern (die alle das homozygote Allel für Zwergwuchs in sich tragen). Denn der Sally Mutterbaum, von dem wir die Früchte und Samen gewonnen haben, stand in einer Reihe mit ca. 30 anderen kompakten Zwergen aus der Kreuzung Resi x Delbard Jubile … oder eben Resi x Resi. Genetische Spekulationen? Ja, aber auch ein schöner Gedanke: Was in der Natur letztlich kaum überleben würde (der Zwerg-wuchs, der von der Vegetation überwuchert und von den Tieren niedergetrampelt würde) und sich nur bei Selbstung zeigt, wird zu einem züchterischen Vorteil, und zu einem Gewinn für den Garten!
Was Kleinheit nützen kann
Aber Halt! Noch ein Schritt weitergedacht: Wenn Selbstung evolutionär gesehen unproduktiv ist und nur wenig Überlebenschancen hat (weil sich rezessive und negative Eigenschaften akkumulieren und sichtbar werden), warum ist sie dann immer noch möglich, und bei einigen Pflanzen sogar ziemlich verbreitet? Warum gibt es dann diese Laune der Natur immer noch: ein Zwergenwuchs, der nur 10 – 50 % einer normalen Grösse erreicht? Und das offenbar bei verschiedenen Pflanzen, sicher bei Himbeeren, bei Äpfeln, wahrscheinlich auch bei Clematis…
Ganz offensichtlich gibt es für Kleinheit auch in der Natur Überlebensnischen; es muss Vorteile geben, die letztlich dazu geführt haben, dass Gullivers – der erste Lowfruit-Apfel die Eigenschaften in den Pflanzen überlebt haben (wenn auch nur rezessiv). Kleinheit nützt nicht nur im Garten, sie könnte eventuell auch in der Natur manchmal Vorteile gehabt haben: einfach übersehen zu werden, vom Wind und Schnee nicht abgedrückt zu werden, näher am warmen Boden zu blühen und zu überwintern. Und ganz konkret: Low hanging fruits, niedrig hängende Früchte waren und sind sicher auch für das eine oder andere Tier neben dem Menschen ganz willkommen … Die Arbeit und Anstrengung zu minimieren, den Ertrag zu optimieren, wo immer möglich, ist … nur natürlich.