"Ich liebe meine neuen Paprika-, Auberginen- und Tomaten-Pflanzen, sie sind das Beste im Garten dieses Jahr", sagte die Gärtnerin.
"Ach, ja?", fragt Mutter Natur langsam und lauernd.
"Oh ja", antwortet die Gärtnerin mit Nachdruck. "So sehr, dass ich dieses Jahr den 'Auberginen-Super-Sommer des Jahrhunderts' nennen werde! Das wird die garantiert beste Ernte, die die Welt je gesehen hat!" (Anmerkung: Diese Gärtnerin hat noch nie zuvor Auberginen angebaut).
Eine Augenbraue hebend fragt Mutter Natur nach: "Und was beinhaltet das?"
Die Gärtnerin beginnt eine lange Rede von wegen starke Setzlinge bestellt, lange und ungeduldig gewartet, mühsam aus Bambusstäben ein ausgefeiltes Stützgitter gebastelt, dann die beste Blumenerde bestellt und so weiter und so fort und fügt dann atemlos hinzu: "Ich habe gerade eben die letzten Setzlinge raus gepflanzt, puha, so eine Arbeit. Nun muss ich nur noch auf die grosse Ernte warten und kann dann mit meinen lilafarbenen, grünen und weissen Auberginen überall angeben."
"Sind denn jetzt alle Pflanzen im Garten?" fragt Mutter Natur unschuldig nach.
"Ja", meint die Gärtnerin. "Die Unwetter-Zeit ist jetzt vorbei, nun kann nichts mehr schief gehen."
"Unwetter-Zeit vorbei", grinst Mutter Natur. "Ihr Menschen seid auch zu niedlich."
Keine Stunde später prasselt Hagel zwei kurze Minuten lang auf den Garten und die Paprika- und Auberginenblätter stehen durchlöchert da wie Schweizer Käse und lassen traurig die zerfetzten Blätter hängen.
Bild: Hagelschaden an Paprikapflanzen
Zack, da hat sie es mir gezeigt! Wie immer das letzte Wort gehabt und mich auf meinen Platz verwiesen.
Ich werde jetzt den 'Auberginen-Super-Sommer-des-Jahrhunderts' wohl umbenennen müssen in 'Super-Sommer des Ewigen Gemüses' oder 'Multi-Mega-Beeren-Sommer', denn diese beiden Pflanzengattungen haben Mutter Natur's kleinen hämischen Rache-Akt blessurenfrei überstanden.
Bild: Kartoffel-Speedpots - Vitabella, Rote-Emmalie und Blaue-St-Galler
Bild: Auch die Stachelbeeren haben keinen Hagelschaden davongetragen
Bild: Die schwarze Johannisbeere 'Black Marble' ist nach dem Hagel tiefgebeut - kann aber einfach wieder aufgebunden werden
Bild: Die reifenden Beerenmurmeln von 'Black Marble'
Ärgern werde ich mich NICHT, die Genugtuung gönne ich Mutter Natur nicht. Sie hat ja Recht. Sie wollte mich nur daran erinnern, dass man als Gärtner nicht zu selbstsicher und arrogant werden darf. Nichts im Garten ist selbstverständlich, jede noch so kleine Ernte ist ein Geschenk und erzwingen können wir "niedlichen" Menschen sowieso nichts. Statt nun zu jammern und zu klagen und dem Klimawandel die Schuld in die Schuhe zu schieben und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen (öko-korrekt mit Regenwasser natürlich), heisst es jetzt in die Hände gespuckt und weiter gemacht.
Mutter Natur ist nun mal typisch Frau, unberechenbar, launisch und manchmal ziemlich wütend auf uns Menschen, zu Recht. Meine Lubera-Gemüse-Pflanzen werden ihre Kapriolen überleben und mein Ego (das sich stolz in die Brust werfen und Gärtner-Können demonstrieren wollte) auch. Die Amerikaner haben die überaus passende Bezeichnung für das Geschehene: Shit happens!
Das werde ich dann auch zu mir selbst sagen, wenn meine Heirloom-Tomaten-Pflanzen das Zeitliche segnen sollten nach all dem Regen. Die Guten sollen ja laut Lubera-Sortenbescheibung im Gewächshaus angebaut werden. "Ach, was dieser Kobelt da schon wieder redet", dachte sich besagte Gärtnerin achselzuckend. "Die wuppen das auch im nasskalten Norden Deutschlands im Freiland." Tja, lieber Markus, auch bei dir muss ich mich wohl entschuldigen - genauso wie bei Mutter Natur. Die wärmeliebenden Südstaatler stehen zwar noch stramm in Reih und Glied bei mir, aber die ewige Feuchtigkeit hier macht ihnen schon zu schaffen. Aber noch besteht Hoffnung, und die stirbt im Garten bekanntermassen zuletzt. 'Brad's Atomic Grape' zeigt sogar schon ein klitzekleines Tomätchen! Bitte, Mutter Natur, ein bisschen Nachsicht mit der reuigen Gärtnerin und ihren Tomaten, nur ein wenig, bis die atomare Schönheit reif ist.
Bild: Tomatenpflanzen ohne Hagelschaden
Wie sind unsere Vorfahren denn mit Verlusten umgegangen? Damals (nur zwei Generationen entfernt) mussten sie ja wirklich aus dem Garten, vom Feld leben. Da gab es keine Globalisierung, keine überquellenden Supermarkt-Regale und stetigen Nachschub aus aller Welt. Ja, genau, sie bauten Vielfalt an. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon und wenn etwas an Krankheiten oder Schädlingen zugrunde ging, gab es immer mehrere andere Dinge, die funktionierten und die Vorratskammern für den langen Winter füllten (und damals gab es auch noch keine regenliebende Spanische Wegschnecke im Norden, kaum vorstellbar!).
Bild: Die hagelsicheren Tomaten sind die eingefrorenen vom letzten Jahr. Hier 'Primabella' und 'Sunviva' frisch aus der Tiefkühltruhe mit den ersten Knoblauchspitzen und -Zehen, sowie Griechischem Bergtee (mega lecker und gesund)
Während und kurz nach dem zweiten Weltkrieg stöhnten meine Eltern immer (damals ganz kleine Kinder), wenn der hölzerne Blockwagen mit Gartengeräten beladen wurde und sie quer durch die Stadt zu einem der drei Schrebergärten zockeln mussten (zwei davon illegal, also versteckt in der Wildnis), und sie ihren Eltern beim Hacken, Jäten, Säen und Giessen helfen mussten. Zum Spielen war keine Zeit, es galt, die vielköpfige Kinderschar über den Winter zu bringen und da mussten selbst die Kleinsten helfen. Der Schrebergarten brachte alles hervor, was nötig war: Bohnen, Erbsen, Karotten und vor allem Kartoffeln über Kartoffeln (lagerfähig, energiereich und satt machend). Auberginen und Paprika gab es damals nicht. Und Fleisch nur an Feiertagen, wenn überhaupt, ein mageres Karnickel, vom Nachbarn eingetauscht oder ein altes, zähes Huhn. Aber Gemüse war reichlich da, Gott sei Dank und meinem Opa auch, der oftmals nachts im Schrebergarten schlief, um die Ernte vor Dieben zu schützen. Als Waffe und Abschreckungsmittel dient der "Agge-Knüppel", der im "Stillen Örtchen", einem luftigen Holzverschlag in hinteren Garten, dem Herunterpressen des menschlichen Düngers diente (der im Winter dann auf die Beete verteilt wurde).
Damals wurde nicht gejammert und gestöhnt, sondern in die Hände gespuckt und höchstens mal "Wat mutt, dat mutt" gemurmelt, wenn es ans Garten-Werk ging. Das mache ich jetzt auch. Nicht ärgern, sondern weitermachen und Mutter Natur entgegen rufen: "Lesson’s learned!" (Sie ist international und spricht alle Sprachen). "Ich pflanze weiter! Und ernten werde ich auch, ätsch!" (Die Zunge werde ich ihr aber nicht raus strecken, erstens will ich sie nicht provozieren - sie ist leicht reizbar - und zweitens bin ich erwachsen - meistens jedenfalls. ;-)