Zum Thema frühe Apfel-Sorten, fällt mir eine Geschichte ein: Vor mehr als 15 Jahren sass ich zusammen mit meiner Frau in der Jagdhütte von Henri Delbard, dem Spross einer Gärtnerdynastie, damals Chef der Baumschule und Gartencenterkette Delbard in Frankreich. Solche Privilegien wurden nach Umsatz verteilt – und der war gross gewesen und sollte nie mehr so gross werden. Trotz kleiner Standesdünkel (als Sohn von Georges Delbard, der sich auch mal als 'jardinier du monde' bezeichnet hatte…) war Henri ein überaus interessanter Gesprächspartner: Ich habe nie wieder einen Gärtner getroffen, der so inspiriert über Marke und Marketing reden konnte. Und das nicht etwa, weil er irgendwelche Schulen besucht oder die neuesten Marketingschlagwörter verinnerlicht hatte, sondern weil er konsequent vom Kunden, vom Hobbygärtner her dachte. Man würde es nicht glauben: Das ist immer noch eine Seltenheit unter professionellen Gärtnern.
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Frühe Apfel-Sorten vs. späte Apfel-Sorten
Die Schnittmenge unserer damaligen Interessen waren Äpfel, und so sprachen wir zwischen den Gängen, die von der Frau des Hauses präsentiert wurden, aber aussahen wie vom Spitzencaterer, über Äpfel. Henri Delbard jedenfalls redete sich schnell in Rage. Nichts würden Gärtner von Äpfeln und von den Bedürfnissen der Hobbygärtner verstehen. Profis würden aus unerfindlichen Gründen die späten Äpfel als die wertvollsten betrachten. Äpfel, die erst Ende September und im Oktober reif würden. Die seien zwar geschmacklich intensiver und komplexer und vor allen lagerfähig, aber vielfach auch erst nach einer ersten Lagerphase wirklich gut. Und wer hätte heute noch Kapazitäten, um Äpfel im eigenen Haus zu lagern. Und wer habe Lust, Ende September oder Mitte Oktober in den Garten zu gehen? Niemand (ausser ein paar Masochisten unter den Gärtnern, die gebe es natürlich auch…).
Die Vorteile der Sommeräpfel
Dagegen seien die Sommeräpfel eigentlich das bessere Produkt. Dann reif, wenn man sich im Garten wohl fühle, sie könnten sozusagen en passant mitgepflückt werden, beim Gang durch den Garten, bei der Suche nach einer Kochidee, auf dem Arbeitsweg, beim Nachhausekommen. Nicht von ungefähr habe das im Sommer reifende Steinobst in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung genommen! Gleiches wäre mit Sommeräpfeln möglich, wenn es sie denn in genügender Anzahl und Variation, vor allem in genügender Qualität gäbe. Denn eigentlich, so Henri, seien Äpfel ja besser als Steinobst: knackig und saftig, nicht nur saftig und tropfend, definitiv einfacher zu essen, einfacher mitzunehmen, und nicht zuletzt einfacher zu kultivieren – unter der Voraussetzung, dass man robuste und resistente Sorten pflanze. Eigentlich sei ein Apfel, vor allem ein kleiner, der Inbegriff eines Snacks, der Inbegriff von Convenience Food.
Meine Erinnerung ist überzeugt davon, dass Henri Delbard das richtige Französische Wort für diesen angelsächsischen Begriff verwendete – aber es ist mir leider nicht mehr präsent. Vielleicht sollte ich wirklich wieder mehr zu französischen Gärtnern fahren...
Frühe Apfel-Sorten Züchtung bei Lubera®
Der Baumschularistokrat aus Frankreich aber hatte Recht. Und hat noch immer Recht.
Dieses Gespräch ist denn auch einer der Gründe, dass wir uns in der Apfelzüchtung in den letzten 10 Jahren vermehrt den Frühsorten zugewendet haben. Dabei waren und sind unsere Ziele ganz die von Henri Delbard:
- einfache Kultur, Resistenzen
- unterschiedliche Apfeltypen auch im Sommer (nicht nur sauer und grünlich)
- bessere Texturen, bessere Kurzzeitlagerfähigkeit in der Fruchtschale
Ob wir die Ziele unterdessen erreicht haben? Beinahe! Wir haben uns immerhin auf den Weg gemacht und wir versuchen systematisch, mehr Variation und Qualität in die Frühsorten hineinzuzüchten. Immerhin können wir jetzt bereits Ende Juli eine Tarte aux pommes flambées mit frischen eigenen Äpfeln offerieren. Denn die gab es damals bei Henri Delbard erst im September. Eine Jagdhütte aber habe ich immer noch nicht.