Markus Kobelt, der mich eingeladen hat, hier im Speakers Corner den Hofnarren und Spielverderber zu geben, hat mir mal vorgeworfen, ich hätte ein ähnliches Temperament wie die Figur des Gernot Hassknecht in der Heute-Show im ZDF. Ich habe das durchaus als Kompliment aufgefasst, auch wenn es nicht so gemeint war. Hassknecht-mässig habe ich aber der Redaktion von Gaerten.com das Zugeständnis gemacht, mich zensieren zu dürfen, mich – falls notwendig – einfach auszuschalten: So verfährt ja das ZDF auch, wenn Herr Hassknecht wieder mal ausrastet. In diesem Artikel z.B. haben mir die Kollegen die Links auf die unnötigsten Gartenseiten entfernt. Es liegt also an Ihnen, an den Lesern, ein Erbarmen zu haben und die Links auf die unnötigsten Gartenseiten in den Kommentaren nachzutragen …
Zum Thema: Gartenseiten im Internet verhalten sich zum Garten etwa so wie staubtrockene Sekundärliteratur zur Literatur. Eigentlich ist das alles unnötig, Stochern im Ungefähren, in Papier- und nun auch Datenwelten. Mit dem wirklichen Garten, mit der wirklichen Literatur hat das alles nichts zu tun.
Dann wäre diese neue Seite Gaerten.com etwa auch von meinem Verdikt getroffen? Unnötig, überflüssig? Ja natürlich. Niemand – ganz sicher – hat auf diese Seite gewartet. Und ganz sicher braucht sie niemand wirklich. Es sind allerhöchstens irgendwelche undurchschaubaren Kalküle, die Lubera dazu bewogen haben, mit noch einer unnötigen Gartenseite das Internet zu verseuchen ? Ha und damit hätte ich denn das Linkverbot der Redaktion gleich mal durchbrochen ;-)
Aber nun zu meiner vorläufigen Typologie der unnötigsten Gartenseiten, von der ich hoffe, dass Ihnen allen schnell klar wird, wer und was gemeint ist.
1. Schnell rostende Gartenportale sind zwar absolut unnötig, aber das Problem erledigt sich in der Regel von selbst. Nach drei Jahren spätestens merken die Gründer, dass ihnen das Geld ausgeht, die Seite mutiert zur lebenden Leiche oder wird zur Werbeschleuder. Und wie gesagt, man sieht den Dingern den Rost an, kaum dass sie gegründet sind.
2. Eierlegende Wollmilchsauen, die alles anbieten, vom Forum über Videos bis zu Kolumnen und Fotocommunity, sind offenbar sehr beliebt, aber überflüssiger als überflüssig. Wer soll das alles machen, wer soll das alles lesen, wer soll dann noch die zugehörige Zeitschrift kaufen? Und wann - bitteschön – soll man/frau eigentlich noch gärtnern? Ich vermute maliziös, dass die eierlegenden Wollmilchsauen wie weiland die Dinosaurier aussterben werden: Erst fressen sie der Mutterzeitschrift die Butter vom Brot - und dann merken sie, dass sie ebenfalls (siehe oben) über kein Geschäftsmodell verfügen ? Und haben sich die Leute mal an diese Ungetüme gewöhnt, dann machen sie nämlich darauf alles Mögliche und Unmögliche. Nur nicht Kaufen!
3. Pupertierende Tagebücher Sie erinnern sich an die verschliessbaren Tagebücher für verliebte Jungs und Mädels. So etwa kommen mir viele Gartenblogs vor, nur dass sie - den Gartengöttern sei?s geklagt - leider nicht verschlossen sind. Aber die Blogs sind doch schön und nett und sympathisch und als Ersatzhandlungen auch psychologisch verständlich? Aber warum soll das jemand lesen? Dazu zersetzen sich Gartenblogs aus dem eigenen Garten früher oder später sozusagen selber: Der Garten ist ein endlicher Raum, irgendwann sind die Themen ausgereizt, und der Blog beginnt sich in die allerkleinsten Gartenbestandteile aufzulösen: Da wird dann minuziös vom Steckling erzählt, der gerade eine Wurzel gestossen hat, und der Anblick der ersten Blüte einer fleischfressenden Indiopflanze kommt einem quasisexuellen Erlebnis schon sehr nahe. Und so zerfliessen die Blogs in Mikrobeiträge und Mikroerlebnisse, um irgendwann zu verstummen. Welch ein Glück!
4. Potemkinsche Dörfer Als der Geliebte der Zarin Katharina auf einer Inspektionsreise blühende Landschaften zeigen wollte, da liess er mangels Fassaden Bühnenbilder errichten … Die eigentliche Pointe der Geschichte: Sie zeigt nicht nur irreales Verhalten, sie ist selber auch nur ein Gerücht, von einem Nebenbuhler und Konkurrenten in die Welt gesetzt ?
Ähnlich irreal sind Gartenseiten, die plötzlich auftauchen, gepuscht werden, gleich mit 4000 Facebookleichen auftrumpfen. Dabei haben sie aber einen definitiven Vorteil gegenüber den meisten der schon erwähnten Gartenseiten: Sie sind schon tot, bevor sie geboren sind … Die Leichenstarre ist notdürftig überschminkt, auch wenn sich der eine oder andere Gartenexperte da trefflich mit sich selber beschäftigen kann.
5. Praktikantenschleudern Hier sind die Artikel durchaus hilfreich. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick: Hilflos. Sie beschreiben zielgenau, was gefühlte 1001 Mal schon beschrieben wurde. How-to-Artikel vom Schlimmsten. Praktikanten, die die eigentlichen Motoren dieser Contentschleudern sind und die das letzte Mal im Garten waren, als sie vor ein paar Wochen in kurzen Hosen der Mutter beim Rosenschneiden zusahen, geben da zielgenau von sich, was jeder weiss, über Themen, die jeder kennt. Dabei gibt es eigentlich nur einen Zuhörer: Google. An was man diese Seiten erkennt? Ganz einfach: Das wichtigste Wort des Titels, das, um was es eigentlich geht, wird zuverlässig udn gebetsmühleartig in jeder zweiten Zeile wiederholt. Ziemlich genau so (das Keyword aus diesem ?Zitat? wurde mit XXX unkenntlich gemacht; Anm. der Redaktion):
XXX: Würzig und vielfältig verwendbar
XXX ernten: Tipps zu Blättern und Samen
Wenn Sie XXX ernten, können Sie anschließend sowohl die XXXblätter als auch die XXXsamen verwenden.
Beim XXX ernten, sollten Sie einige Dinge beachten. Hier erfahren Sie nützliche Tipps zur Ernte und für welche Gerichte Sie XXXblätter und XXXsamen verwenden können.
Und jetzt beginnt der eigentliche Text, der sich bezüglich der Inhaltsschwere und des Neuheitenwerts nur unwesentlich vom Einführungstext unterscheidet, aber den ich der geneigten Leserschaft doch ersparen möchte. Ebenso meinen ungärtnerischen Wutausbruch …