Sass ich doch vor einigen Tagen mit meinem englischen Freund Andy in der Lounge in unserem Garten. Andy hatte Bier mitgebracht aus England, um mir zu zeigen, dass auch in Good Old England hervorragende Indian Pale Ales gebraut werden, nicht nur in Portland an der Westküste der USA, von wo ich ihm letztes Jahr die schönsten Bierstories erzählt hatte.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, wir tranken da kürzlich im Garten nicht eigentlich Bier. Wir degustierten Bier. Eine Flasche eines speziellen IPA für zwei – na ja ziemlich ausgewachsene – Männer. Und wir redeten. Natürlich über Pflanzen, über Baumschulen, übers Veredeln, über Erfolge und natürlich auch Misserfolge. Andy ist nebenher auch Spekulant, spezialisiert auf die absonderlichsten Stocks, die aber irgendwann zu Höhenflügen ansetzen werden, um dann später so sicher wie das Amen in der Kirche wieder auf dem A… zu landen. Meistens kommt Andy zu spät. Aber er kann wahnsinnig gut davon erzählen.
Es wurde kühler, das Bier wärmte nicht richtig, die Nacht kam von oben, schneller als noch vor ein paar Wochen. Unser Garten, Andy, die Gärten rundherum verloren ihre Konturen, verschwammen. Und glauben Sie mir, dafür kann nicht das bisschen Bier verantwortlich gewesen sein. Jedenfalls begann Andy von Rosen zu erzählen, die er gesehen hatte, die wunderschön waren, aber deren Namen er nicht mehr wusste. Von einem Pfirsichbaum, den er einmal bei sich im Garten veredelt hatte, der solche, zweihandgrosse Früchte getragen hatte und der irgendwann eingegangen war. Natürlich bevor er noch einen jungen Baum nachziehen konnten. Und von einem ganz speziellen Apfel, mit einem mehr als deutlichen, ja vielleicht fast aufdringlichen Orangenaroma, den er einst im Garten seines Vaters gepflanzt hatte. Ja gerade kürzlich sei der da gewesen, das Haus sei lange schon verkauft, er habe den Baum gesucht, wahrscheinlich sei er der Ordnungswut oder dem John Deere der neuen Besitzer zum Opfer gefallen.
Irgendwann war es noch kälter geworden, Andy war schlafen gegangen. “Du hast ja noch deine Zigarre”, meinte er nur. Und mit dem Rauch der letzten Züge zeichnete ich das Bild eines Traums in die Nacht, der mich über Jahrzehnte begleitet hat: Der Garten meines Grossvaters, meiner Grossmutter, mit dem riesigen Holunderbaum, dem runden Wassertrog aus altem körnigen Beto in dem die Giesskannen aufgefüllt werden können. Immer Bienen drumherum. Und ich hatte da eine Baumschule gepflanzt, es wuchs, an den Rändern fruchtete es, Plastik-Tunnels und viele viel schönere Gewächshäuser ergänzten das Ensemble, fleissige Mitarbeiter en masse, wie in den englischen Gärten der Jahrhundertwende. Pflanzen die verladen wurden, Früchte, die auf Degustation warteten. Da waren keine Sehnsuchts-Bäume, die es plötzlich nicht mehr gab, keine Wunder-Rosen, die in ihrer unerreichbaren Schönheit verloren gegangen waren, sondern eine Bilderbuchgärtnerei im Garten meines Grossvaters, die es so nie gegeben hat. Die ich immer und immer wieder geträumt hatte.
Heute werde ich mit meinem Vater zusammen Haus und Garten meiner Grosseltern verkaufen.