Im letzten Monat hörte ich den Vortrag einer Staudengärtnerin. Über was? Ja übers Leben und über die Pflanzen, über fast alles also. Ganz schön viel. Wunderbar anders war der Vortag, fast altertümlich. Natürlich gab es Dias, kein Powerpoint. Die Staudengärtnerin erzählte ihre Geschichte, die Geschichte ihrer Familie mit Stauden. Tausende von Sorten, teilweise von ihrem Grossvater gezüchtet, die sie pflegt und liebt. Und sie erzählte ihr Leben, das untrennbar mit den Pflanzen verwoben ist.
Nach der Staudengärtnerin kamen an der Tagung Zahlenmenschen und Berater, Trendscouts, Powerpoint ohne Ende. Der Kontrapunkt gleich zu Beginn war also geglückt.
In der Kaffeepause ging der Veranstalter mit mir aus dem Saal und fragte vorsichtig, wie ich den Vortrag gefunden hätte. Ich wusste aber noch keine Antwort. Ich wusste nicht, ob mein Unbehagen letztlich dem Kontrapunkt geschuldet war (und damit in Ordnung ginge) oder ob es am Vortrag selber lag.
Am Abend dann, allein in einem Restaurant in der grossen Stadt, wurde mir klar, was mein Unbehagen ausgelöst hatte. Nein, es waren ganz sicher nicht die Dias gewesen, auch nicht ihre versponnenen und kreisenden Gedanken zu Pflanzen und Menschen. Aber mich hatte die Aufstellung gestört: In der Mitte die Staudengärtnerin, darum herum die Pflanzen, und wenn es überhaupt noch andere Menschen gab, dann waren sie entweder unwichtig oder in der Vergangenheit zu vergilbter Grösse erstarrt (der Grossvater).
Die Staudengärtnerin kultiviert die Stauden nur für sich, eigentlich kultiviert sie sich selber. Oder um es in der Sprache des Marktes zu sagen: Es gibt kaum Kunden. Und eigentlich will die Staudengärtnerin auch gar nichts verkaufen.
Das ist natürlich erlaubt, und wahrscheinlich ist es auch nicht richtig, die Haltung der Staudengärtnerin als egoistisch zu beschreiben. Aber sie markiert für mich genau das Gegenteil dessen, für das Lubera einstehen soll.
Ich möchte, dass Lubera Pflanzen für andere Menschen produziert und züchtet. Wir möchten Pflanzen kreieren, die ihr Leben etwas anders, schöner und besser machen. Und natürlich wollen wir damit auch ein Geschäft machen, unseren Lebensunterhalt verdienen, und gerne auch ein bisschen mehr. So ganz nebenbei ist der wirtschaftliche Erfolg ja auch die Grundlage, die es uns ermöglicht, die Welt noch ein bisschen weiter zu luberisieren ;-)
Ja, vielleicht findet sich da ein allerletztes Überbleibsel des pubertären Gefühls, die Welt verändern zu wollen – und das ist wohl auch gut so.
Sicher hängt damit auch zusammen, dass ich das Interesse an unseren alten Züchtungen schnell verliere, dass ich mich immer schon dem nächsten Projekt, der nächsten Züchtungsspopulation zuwende. Ich bin kein Sammler, ich bin ein Jäger. Und die Beute tragen wir nach Hause, damit wir alle, wir UND unsere Kunden, im wahrsten Sinne des Wortes etwas zu essen haben.
PS: selbstverständlich betrifft dieser Beitrag ausdrücklich nicht die mir bekannten Staudengärtnerinnen und Staudengärtner. Ich liebe überigens auch die Stauden. Und noch viel mehr, wenn sie essbar sind.