Markus erzählt vom Leben des Gärtners und seiner Bäume. Von der Pflanzung bis zur verkaufsfähigen Pflanze ist der Weg schwer. Ca. 20-30% Pflänzlinge bleiben auf der Strecke. Gründe gibt es mehrere : Trockenheit, Kälte, Wärme, zu klein, zu gross, menschliche Fehler, Schädlinge, Krankheiten, und nochmals menschliche Fehler. Nicht jede Pflanze wird verkauft, unsere Planung war falsch, die Nachfrage ist kleiner, etwas kommt aus der Mode …
Es ist Frühling – und wir stecken wieder einmal Bäumchen in den Boden. Natürlich maschinell, mit einer Pflanzmaschine. Nein, nicht automatisch: Die Bäumchen werden von 3 Mitarbeitern in das Pflanzaggregat gelegt, eins nach dem anderen, 25 000 und mehr pro Tag. Auch an Auffahrt arbeiteten wir durch – das schlechte Wetter in der zweiten Aprilhälfte hat das Pflanzen unmöglich gemacht. Jetzt muss alles in den Boden, unbedingt, möglichst sofort!
Das alles erinnert mich – nein nicht an andere Gärtnerfrühlinge – sondern an eine Gemeindeversammlung vor mehr als 10 Jahren. Ich machte damals gerne Politik und hatte an der Gemeindeversammlung zum wiederholten Male Fragen gestellt. Das darf man nämlich in einer Demokratie, jaja, aber man muss auch wissen, dass man sich damit nicht sehr beliebt macht … Jedenfalls ging ich dem Gemeindepräsidenten (heute nennt sich sein Nachfolger noch etwas pompöser Stadtpräsident) ganz gehörig auf den Geist. Er wischte meinen Einwurf mit einer launigen Antwort beiseite: “Ja nur Bäumchen in den Boden stecken, und dann zusehen, wie es wachse, das sei halt in der Politik nicht so einfach möglich …”
Das Gärtnern, so wollte er wohl sagen (er war in seinem früheren Leben Lehrer gewesen und da hatte er auch seine Rhetorik gelernt), sei einfach, die Politik aber sehr schwierig.
Erzählen wir doch kurz vom Leben des Gärtners und seiner Bäumchen.
Die Bäumchen, die jetzt so einfach in den Boden gesteckt werden, haben schon ein Leben hinter sich, ein bis zwei Jahre lang wurden sie als Jungpflanzen angezogen, dann eventuell im Winter veredelt. Wenn man die Mutterpflanzen dazuzählt, die es zur Produktion der Obstunterlagen braucht, so weisen die Bäumchen auf einen Horizont, auf eine Geschichte von 10-20 Jahren zurück.
Der Boden, in den die Bäumchen so informell gesteckt werden, darf in den letzten 20 Jahren keine Rosaceen gesehen haben, sonst wachsen die Obstbäumchen nicht.
Der Baum, der irgendwann einmal aus den frisch gesteckten Bäumchen entstehen wird, ist erst in 2 bis 3 Jahren verkaufsfertig. Dann hat er ein Leben von 15 bis 50 Jahren vor sich. Wenn er’s überlebt.
Von der Pflanzung bis zur verkaufsfähigen Pflanze bleiben sehr viele Pflänzlinge auf der Strecke, vielleicht 20-30%, auf den verschiedensten Produktionsstufen, aus den verschiedensten Gründen: Trockenheit, zu kalt, zu warm, zu klein, zu gross, menschliche Fehler, Schädlinge, Krankheiten, und nochmals menschliche Fehler. Und dann die Unwägbarkeiten des Marktes: Nicht jede Pflanze wird verkauft, unsere Planung war falsch, die Nachfrage ist kleiner, etwas kommt aus der Mode. Gut und gerne nochmals 10 % der Bäume bleiben hier auf der Strecke, landen im Kompost oder auf den Brennhaufen. Ach nein, weil man sie nicht mehr verbrennen darf, muss auch für die Entsorgung und Kompostierung noch gezahlt werden ?
Habe ich noch eine Kalamität vergessen? Ja, natürlich! Durchaus nicht jedes Bäumchen, das unsere Kunden von uns kaufen, wird anwachsen und langfristig leben. Warum? Unsere Fehler, die Fehler des Kunden, einfach nur Natur, meist Erklärliches, manchmal auch Unerklärliches. Ganz sicher ist nur, dass nochmals 10 Prozent der Bäumchen vor der Zeit den Weg alles Irdischen gehen werden.
Hätten wir etwa gar keine Bäumchen stecken sollen? Oder vielleicht nur die Hälfte davon, weil ja die andere Hälfte sowieso auf der Strecke bleibt?
Wir stecken jedenfalls weiter Bäumchen in den Boden.