Reife Feigen! Überall – auch in Norddeutschland. Was können die Faktoren sein, die einen frühen und schnellen Ertrag ermöglichen. Wie können Sie meinen Erfolg bei sich zuhause wiederholen? Lassen wir diese Feigen-Geschichte in Norddeutschland beginnen. Genauer in Bad Zwischenahn, in unserem Betrieb im Ammerland.
Ich habe da seit einem Jahr eine eigene Terrasse, im alten Garten unserer Vorgänger, umfriedet (ja, u-m-f-r-i-e-d-e- t!) von 3 Meter hohen Rhododendron-Wällen. Eigentlich ein kleiner “walled garden”!
Das bringt mich gleich noch zu einem andere nordischen Vergleich: Eigentlich ist meine Terrasse eine Art Strandkorb, der auf allen 4 Seiten die Insassen vor den norddeutschen Wetterunbilden schützt. Und wenn’s ganz schlimm wird (und das wurde es in diesem “Sommer” gleich mehrmals) kann man zusätzlich noch den Sonnenschirm ausfahren … Nein, nicht gegen die Sonne! Wie pflegte doch die frühere Bewohnerin Eva beim Runterdrehen des Sonnenstorens zu bemerken: Das ist gegen die von oben auf uns herabstürzende feuchte und kalte Abendluft. Physikalisch hätte ich zwar immer eher auf die aufsteigende und entschwindende warme Luft getippt, aber in der Sache selber muss ich Eva heute mehr als nur Recht geben.
Auf eben dieser Terrasse hat mir Lesya einen mit Feigen Gustissimo® Califfo Blue und Gustissimo® Morena bepflanzten kleinen Trog hingestellt (in diesem Frühjahr aus normalen Feigenpflanzen im 5l Topf zusammengetopft). Natürlich nicht für mich, sondern um ihn zu fotografieren. Und selbstverständlich blieb der Kübel wie andere fotogene Kübelpflanzen irgendwann auf meiner Terrasse stehen, weil er für den Rücktransport in die Baumschule viel zu schwer war. Und alle starken Männer in der Arbeit …
Aber solche Nachlässigkeit ist ziemlich lässlich, führt sie doch oft zu Vorteilen, an die man nicht gedacht hätte. Kollateralgewinne sozusagen, die ein aufgeräumter Zustand niemals zulassen würden (aber das wäre ein anderes Thema!) Der Gewinn hier? Ich habe Pflanzen auf meiner Terrasse, mit denen ich mich unterhalten kann. Und ich bin sanft gezwungen, ja kann gar nicht anders, als sie einlässlicher zu betrachten, ja auch zu bestaunen. Und fast hätte ich das Wichtigste vergessen: Ich ernte und geniesse schon Anfang August die ersten Feigen!
Und das in diesem Sommer 2016! Reife Feigen! Ich war jetzt in der ersten Augusthälfte 2 Wochen in Bad Zwischenahn. Kaum je war es viel mehr als 20 Grad. Die Sonne machte sich rar, an einem Morgen starteten wir gar mit 8 Grad. Der blaue Himmel zeigte sich meist nur bei Sonnenaufgang, dann wurde es grau. Und doch kann ich schon Anfang August reife Feigen ernten, mit guter Aussicht, alle paar Tage eine weiter Feige fast nur mit der Hand auffangen zu müssen? Schlaraffenland im Ammerland. Mediterrane Freuden 70 km vor der Nordseeküste.
Ich bin jetzt zurück in der Schweiz, im Rheintal, und wir haben hier auch reife Feigen, aber die Konzentration der reifenden Früchte, der Ertrag ist lange nicht so überwältigend wie in Lesyas Pflanztrog. Vielleicht ist es auch nur der Überraschungseffekt, der fehlt? Was können die Faktoren sein, die einen solch frühen und schnellen Ertrag ermöglichen. Wie können Sie meinen (eigentlich ziemlich unverdienten) Erfolg bei sich zuhause wiederholen?
Der geschützte Standort
Ehrlich gesagt hat mich erst Norddeutschland von den Vorteilen eines geschützten Standorts, eines walled garden überzeugt. Früher interpretierte ich das als spleenige, typisch englische Isolationslust: Das ist mein Garten, nicht Deiner! Aber gerade darum wurde ja auch hier im Norden der Strandkorb entdeckt! Probleme werden immer da gelöst, wo sie sich stellen. Und es überrascht mich immer wieder, wie zufrieden und zuverlässig meine Feigen, und zwar die Triebe, die Blätter und die Früchte in diesem abgeschlossenen Gartenraum vor sich hin wachsen, als ob die Sonne oder eine Temperatur über 20 Grad gar nicht so wichtig wären. Ganz allgemein gefällt das irgendwie zurückgebundene Klima Norddeutschlands (oder auch Englands), das keine Auswüchse nach oben und unten kennt, den Pflanzen ungemein. Ja, mehr als den Menschen!
Die sicher und gut überwinterte Kübelpflanze
Die Feigen im 5lt Topf wurden zwar nicht frostfrei, aber bei Temperaturen bis -5 Grad überwintert. Da sind natürlich alle Knospen, besonders die Endknospen und auch die zuletzt gewachsenen, vielleicht noch etwas weichen Triebteile problemlos durch den Winter gekommen, nur um im Frühling sofort weiterzuwachsen und Früchte anzusetzen.
Kein Schnitt
Das ist vielleicht die Entdeckung meines Terrassensommers, die zwar ziemlich unspektakulär tönt, uns aber dem Geheimnis schnell und reichlich fruchtender Feigenbäume wirklich näher bringt: Überall da, wo ein mittelstarker letztjähriger Trieb durchwachsen konnte, haben sich im letztjährigen Triebteil und dann gleich auch im Neutrieb Früchte angesetzt. Wo die Feige nicht über Frost, Zurückfrieren oder Schnitt zum starken, selbstbehauptenden Austrieb gezwungen wird, denkt sie gleich an Fortpflanzung und produziert – köstliche Feigen! Was wir draus lernen können: Gerade mittelstarkes Holz darf nie angeschnitten werden, das würde nur den vegetativen Wuchsteufel herausfordern und jeglichen Gedanken an Fruchtproduktion verdrängen!
Umgekehrt kann es gerade bei Freilandfeigen sinnvoll sein, stärkere Trieb, die forsch nach oben wachsen, vielleicht sogar mal während der Vegetationsperiode anzuschneiden, um leichteres Seitenholz herauszukitzeln, das dann ein Jahr später unter und an den Fortsetzungstrieben fruchten wird.
Der Wurzeldruck im Topf
Das ist eine alte Gärtnerweisheit, die ich aber auch erst langsam verstehe oder eher: akzeptiere (wie die Segnungen des walled garden). Gebe ich der Feige beliebig Raum, wird sie ihn nehmen. Dünge ich sie wie blöd, wird sie die Nährstoffe aufnehmen, und wachsen, was das Zeug hält. Begrenze ich die Feige aber, wie z.B. in meinem Kübel, wo drei 5-Liter- Pflanzen mit einem Trog von 100 l auskommen müssen, so zwinge ich die Pflanze, an ihre Nachkommen zu denken. Das überleben am Ort, so kann man gerne hineininterpretieren, ist nicht definitiv gesichert, jedenfalls nicht auf Dutzende und Hunderte Jahre im Voraus. So ist es wohl weise, an Nachkommen zu denken ?
Die richtigen Sorten
Ja klar. Da gibt es Sortenunterschiede. In unserem Sortiment der Gustissimo-Feigen sind Twotimer, Morena und Mère Véronique die Sorten, die sich am allerbesten für eine solche schnelle und fruchtbare Kübelkultur, gerade auch in einem kleineren Topf eignen. Und nochmals: Machen Sie mir (und sich) diese grundsätzlich sehr fruchtwilligen Feigen nicht böse, schneiden Sie sie zu Beginn auf keinen Fall, bringen Sie sie sorgfältig über den Winter und gestehen Sie ihnen nur den notwendigsten Wurzelraum zu.
Und dann können Sie wie ich, wo auch immer in Mittel- und Nordeuropa, in ihrem Gartenstrandkorb, auf ihrer geschützten Terrasse sitzen und ruhig zuschauen wie ihre Feigen auch mit überraschend wenig Wärme und Sonne reif werden.
Video: Topffreundinnen Wolfsmilch, Mittagsblume und Scharfer Mauerpfeffer